Jette
du schwanger bist und ihm verschweigen, dass auch Malte als Erzeuger in Frage kommt. Wenn das Kind auf der Welt ist, lässt du die Vaterschaft feststellen. Wenn Mirko der Vater ist, hast du dich all die Monate umsonst gequält. Ist er es nicht und er besiegt den Krebs, dann hast du alle Zeit der Welt, ihm die Wahrheit zu sagen.« Franka nickt unentwegt. Sie ist von ihrem Vorschlag zu hundert Prozent überzeugt. Tine nicht. Sie spricht das aus, was wir alle drei denken.
»Und wenn in beiden Fällen das Schlimmste eintritt? Malte der Vater ist und Mirko es nicht überlebt?«
»Dann sind wir auch noch da, um Jette zur Seite zu stehen.«
»Seid mir nicht böse, aber ich möchte nach Hause. Er wird es nicht zugeben, aber sicher wartet er schon seit Stunden auf mich.«
Ich hab ihn so lieb. Den Mann, der mich noch vor einigen Wochen durch alle Zimmer gejagt hat, um mich auf der Stelle mit all seiner Macht zu lieben, hat sich in einen kraftlosen Menschen verwandelt, der ständig bemüht ist, seine Schmerzen vor mir zu verbergen.
»Ich werde nicht aufgeben, Liebling. Versprochen. Schon der Gedanke daran, dich bald heiraten zu dürfen, gibt mir so viel Mut und Zuversicht.«
»Ja, mein Schatz. Und Kraft wirst du brauchen. Denn du wirst wieder Vater.«
»Ich hab dich angestupst?«
»Ja, du hast mich angestupst.«
»Dann muss ich einfach gesund werden.«
»Wir bestehen darauf !«
Noch vor der Hochzeit löse ich die Wohnung auf. Malte hat sein Zimmer schon geräumt. Er hat die Stadt verlassen und ist nach Berlin gezogen, berichtet mir der Vermieter bei der Übergabe. Er besteht nicht darauf, dass ich die Wände frisch streiche. Allerdings rückt er meine Kaution noch nicht heraus. Laut Gesetz hat er das Recht, sich mit der Rückzahlung der Mietsicherheit drei Monate Zeit zu lassen. Eine Unverschämtheit, aber es ist mir in diesem Moment egal. Mich plagen zurzeit keine Geldsorgen. Geld ist bei Mirko im Überfluss vorhanden und es nützt ihm nichts. Wenn es möglich wäre, würde ich alles hergeben. Auf die große Villa mit ihrem parkähnlichen Grundstück verzichten und mit Mann und (seinem) Kind in dieser Drei-Zimmer Wohnung leben, wenn er dadurch nur wieder gesund werden würde. Aber so einfach ist es eben nicht.
Mirkos Erkrankung ist kein Geheimnis mehr. Er selbst hat es Knut und Ansgar gesagt, als sich die Männer zu einem Fußballspiel verabredet hatten. Dass sie trotz der schlimmen Nachricht einen so unbekümmerten Umgang mit ihm pflegen, ist einfach fantastisch. Ansgar kommt regelmäßig zu uns, um Mirko zu besuchen. Die Männer sitzen stundenlang zusammen und reden, während die kleine Sophie das Haus auf den Kopf stellt.
Heute ist unsere Trauung.
»Die vorerst letzte Gelegenheit, mich mit voller Haarpracht zu fotografieren«, scherzt mein Mann.
Knut drückt den Auslöser und nach endlosen Posen, brechen wir auf, um bei Louis C. Jacob, zu feiern.
»Hier hat alles angefangen«, sage ich zu Jette und Franka. »Dort draußen haben wir gesessen und es hat keine Stunde gedauert, dass ich mich Hals über Kopf in ihn verliebt habe. Das ist noch nicht einmal ein halbes Jahr her.«
Und was ist in dieser kurzen Zeit alles passiert. Heute habe ich den Mann geheiratet, von dem ich mein ganzes Leben lang geträumt habe. Und ich fühle mich hundeelend, weil ich mit einem Geheimnis in diese Ehe gehe, von der ich nicht weiß, wie lange sie dauern wird.
In der Nacht liebt er mich so zärtlich, dass es mir das Herz zerreißt. Ich versuche, mich ihm hinzugeben, aber es gelingt mir nicht. Ein dicker Kloß im Hals schnürt mir die Kehle zu. Als ich in Tränen ausbreche, hält Mirko mich nur noch fest in seinem Arm.
»Sei nicht traurig, Liebling. Das morgen wird bestimmt kein Spaziergang, aber ich schaffe das. Mit dir an meiner Seite kann mir nichts passieren.
Während ich Kaffee koche, ist Mirko im Bad und rasiert seinen Kopf. Es dauert nur wenige Minuten, bis auch das letzte Haarbüschel den Weg auf die Fliesen findet.
»Na, wie gefalle ich dir als Telly Savallas?«
»Du hast die schönste Glatze, die ich je gesehen habe. Komm, Telly. Frühstück ist fertig.
Vorfreude
Es ist Heiligabend und ich stehe in der Ankunftshalle am Flughafen und warte auf das Eintreffen der Maschine aus Zürich. Linda und Ben werden nur den heutigen Tag mit uns verbringen und morgen von Hamburg aus in die Ferien aufbrechen. Sie weicht noch immer meinem Blick aus.
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