Jetzt aber Ballett (German Edition)
und kotzte sich die Seele aus dem Leib. Sein Magen schmerzte, vom Kopf gar nicht zu reden. Der Kreislauf war im Keller und Andi musste sein Haupt auf die Toilettenbrille betten, um nicht umzufallen. Kalter Schweiß stand in dicken Perlen auf seiner Stirn, während er am ganzen Körper zitterte. Seine Zunge war ein ausgetrockneter Schwamm von überdimensionalen Ausmaßen.
Ein Anblick des Elends und doch fühlte sich Andi so gut wie lange nicht mehr, vom Total-Black-Out des Körpers einmal abgesehen. Aber der Magen würde sich schon wieder beruhigen und auch die nächste Ohnmachtsattacke vorübergehen. Dann würde Andi nie wieder, aber auch wirklich NIE wieder solche Mengen Alkohol trinken, wie er es gestern getan hatte.
Er schwankte zurück zum Bett und ließ sich erleichtert hineinfallen.
*Schon besser, viel besser!*
Ein Lächeln huschte über Andis Gesicht, als sein Blick auf das Handy fiel. Till hatte tatsächlich auf seine Mailbox gesprochen. Nun würde alles wieder gut werden - zumindest was diese Sache betraf.
Vorsichtig erhob sich Andi und schlich wie ein alter Mann in die Küche. Drei Kopfschmerztabletten mussten es sein - hoffentlich landeten die nicht gleich wieder im Klo. Dann machte er sich einen Kaffee, so stark, dass der Löffel in der Tasse stehen konnte. Andere Nahrung war vo rsichtshalber erstmal zu meiden, obwohl der Magen laut knurrte. Aber Andi hatte ohnehin keinen Appetit. Beim Gedanken an sauren Fisch, den andere Leute gerne als Katerfrühstück empfehlen, hätte er fast wieder gekotzt.
Ein schönes Gefühl, wenn man die Kontrolle über seinen Körper zurückgewinnt. Andi setzte sich in den Sessel, halb liegend, und betrachtete die Zimmerdecke.
*Jetzt ist alles gut*, dachte Andi erleichtert, *Gleich mal anrufen? Warum nicht?*
Das Telefon lag natürlich genau in der anderen Ecke, aber ein wenig leichte Bewegung konnte nicht schaden. Andi bemerkte überrascht, wie aufgeregt er war, als er die Nummer wählte. Sein Herz raste und die Finger zitterten, als er die Tasten drückte.
*Nun beruhig dich, Junge. Das ist doch nicht die Sexhotline.*
Mailbox - war ja klar.
"Hallo Till , hier ist Andi. Ich melde mich später noch mal." , sprach er mit nervöser Stimme und drückte schnell wieder auf die Taste .
*Hätte ich noch Grüße an John ausrichten lassen sollen?*, grübelte Andi sogleich, *Ach was. Das kann ich immer noch machen.*
Die kurze Aufregung hatte offenbar einen positiven Effekt, denn Andis Kreislauf schien wieder völlig intakt. Das nutzte er sofort für eine kalte Dusche aus, welche das Wohlbefinden noch weiter verbesserte. Jetzt das Fenster weit auf, frische Luft genießen und sich einer lautsstarken Behandlung durch Die Ärzte unterziehen. Hello Life, Andi is back!!!
Er fläzte sich in den Sessel, legte die Beine auf den Tisch und schloss die Augen.
*Weißt du was, Andi, du lebst nur einmal! Was auch immer dich quält, nimm dein Schicksal selbst in die Hand! Geh ran, Alter!* - diese Worte Till s gingen ihm wieder und wieder durch den Kopf und dabei sah er das Gesicht deutlich vor sich.
Aber es war nicht Till s Gesicht, sondern das von Sascha. Und er schmeckte wieder den Kuss, den ihm Sascha in Magdeburg im elterlichen Schlafzimmer zum Abschied auf die Lippen gedrückt hatte.
*Warum hat er das getan?*, grübelte Andi, *Das war kein flüchtiger Kuss, sondern mindestens 3 Sekunden lang oder gar 5?*
Andi begann zu zählen.
*Also wenigstens 4 Sekunden.*
Er strich sich leicht mit den Fingern über die Lippen, als könne er so das Gefühl besser nachempfinden. Für ihn war es nun eine beschlossene Sache, dass er Sascha wieder sehen wollte. Es war ihm egal, ob Sascha irgendwelche Gefühle erwiderte oder nicht.
* Wenn man nichts erwartet , kann er auch nicht enttäuscht werden*, redete er sich fleißig ein.
Ihm war natürlich dennoch klar, dass er sich mit dieser Einstellung in gewisser selbst etwas vormachte. Aber jede Enttäuschung wäre geradezu ein Hochgefühl gegen diese trübsinnige und die Seele zerfressende Sehnsucht, die von ihm völlig Besitz ergriffen hatte.
Andi erinnerte sich an die Abende in Magdeburg, an denen sie stundenlang in Kneipen gesessen und Sascha ihm von klassischem Tanz, Musicals und Theater erzählt und vor geschwärmt hatte. Es kam Andi vor, als würde er sich an jedes einzelne Wort erinnern.
*Vielleicht kann es wieder so werden *, dachte Andi, *Ich möchte einfach nur in seiner Nähe sein. Wenn er
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