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Jetzt! - die Kunst des perfekten Timings

Jetzt! - die Kunst des perfekten Timings

Titel: Jetzt! - die Kunst des perfekten Timings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
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wir im 21. Jahrhundert gestellt sind. General Rupert Smith schildert diese neue Realität in Hinblick auf moderne Kriegsführung:

    In der Welt des industriellen Krieges gilt die Prämisse der Abfolge Frieden Krise Krieg Lösung, die wieder zum Frieden führt …. Dagegen basiert das neue Paradigma des Krieges unter Völkern auf dem Konzept eines ständigen Hin und Her zwischen Konfrontation und Konflikt … Statt Krieg und Frieden gibt es keine vorher definierte Abfolge, und Frieden ist nicht zwangsläufig der Ausgangs- oder Endpunkt: Konflikte werden gelöst, aber nicht unbedingt Konfrontationen beendet . 3
    Leider sind wir für eine solche Welt schlecht gerüstet. Wenn wir sprechen oder schreiben, müssen wir ein Wort hinter das andere setzen. Wenn wir eine bestimmte Situation beschreiben, können wir das Wort »zugleich« nur in begrenztem Maß benutzen, sonst verdrehen schon bald manchedie Augen. In unserem Denken verlangen wir, dass unsere Schlüsse logisch aus dem folgen , was vorher kam. Kurz, wir sind serielle Wesen in einer überaus parallelen Welt . Folglich werden wir ständig von Ereignissen »überrumpelt«, die scheinbar aus heiterem Himmel, also buchstäblich von oben kommen. Vieles passiert gleichzeitig, und wir können nicht allen Strängen folgen.
Polyphonietracks
    Um alle Parallelprozesse zu finden, die Auswirkungen auf das Timing haben, ist es hilfreich, jedes Ereignis oder jede Situation in Tracks zu gliedern, und dann jede einzelne zu untersuchen. Ein Beispiel: Auf den Meinungsseiten der New York Times schilderte eine Frau 1996 ihre Bemühungen, sich scheiden zu lassen. Der Beitrag trug die Überschrift: »34 Monate und immer noch keine Scheidung«. 4 Warum dauerte es so lange?
    Im Laufe des Verfahrens passierten einige Dinge etwa zur gleichen Zeit, unter anderem folgende: »Drei Familienrichter wurden in andere Bereiche des State Supreme Court versetzt und durch drei Richter ersetzt, die keine Erfahrung im Scheidungsrecht hatten.« Ihr Mann erschien nicht zur Verhandlung, die daraufhin vertagt werden musste. Eine zweite Vertagung war notwendig, weil die Anwälte ihres Mannes in einem anderen Fall ein Berufungsverfahren vorbereiten mussten. Ein Anwalt hatte gesundheitliche Probleme. Dann steckte der Richter in einem anderen Verfahren und musste die Verhandlung erneut vertagen. Schließlich teilte das Gericht ihr mit, dass es ihre sämtlichen Akten verlegt hatte. 5
    Vermutlich ist diese Frau mittlerweile geschieden, aber das Verfahren dauerte wesentlich länger, als sie erwartet hatte. Ich möchte hier einen Ansatz beschreiben, wie man feststellen kann, warum dieser Prozess so langwierig war. Er besteht darin, sämtliche parallelen Ereignisse und Vorgänge als verschiedene Stimmen einer Partitur zu sehen, die verschiedene Instrumente gleichzeitig spielen.
    Partituren (siehe die Beethoven-Partitur im ersten Kapitel) haben eine horizontale und eine vertikale Dimension. In diesem Beispiel steht die horizontale Dimension für den sequenziellen Ablauf des rechtlichen Verfahrens: einen Anwalt beauftragen, die Scheidung einreichen, mit dem Richter sprechen und so fort. In einem Scheidungsverfahren müssen bestimmte Schritte in einer festgelegten Reihenfolge erfolgen. Hätte die Frau in unserem Beispiel die bisherigen Kapitel gelesen, wüsste sie, dass alle Ereignisse, die in einer bestimmten Reihenfolge – also in einer Sequenz mit strengen seriellen Zwängen – ablaufen müssen, erheblich länger dauern können als erwartet. Sie wüsste zudem, dass immer, wenn die akute Notwendigkeit eines Abschlusses besteht – was bei einer Scheidung der Fall ist –, jede Verzögerung besonders schmerzlich sein kann, insbesondere, wenn sie gegen Ende eintritt.
    Die Situation der Frau hatte auch eine vertikale Dimension: Es passierte vieles gleichzeitig. Die vertikale Dimension bestand aus elf verschiedenen Paralleltracks, die jeweils einen der folgenden Akteure oder Vorgänge betrafen:
Ehemann
Ehefrau
Anwalt der Frau
Erster Anwalt des Mannes
Zweiter Anwalt des Mannes
Andere Fälle des 1. Anwalts
Andere Fälle des 2. Anwalts
Richter 1
Richter 2
Andere Fälle des 1. Richters
Andere Fälle des 2. Richters
    Wenn wir noch detaillierter vorgehen wollten, könnten wir noch weitere Tracks für die anderen Fälle einfügen, mit denen die Anwälte und Richter befasst waren (Punkt 6, 7, 10 und 11). Die Anzahl der Stimmen in einer Partitur bezeichne ich als C-Wert (C für Copland). In diesem Beispiel ist C = 11, was die

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