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Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Titel: Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Volk
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zusammenzuleben. Morgens am Frühstückstisch sehe ich ihm beim Weiden zu, zwischendurch knabbern wir uns am Mähnenkamm und wenn er zur Arbeit geht, wiehere ich ihm zärtlich hinterher.
    Köln, 23 . September, 18 Grad, Benefizalarm
    Haben lauter Auftritte, aber leider vorwiegend Benefize, so nennt man die unbezahlten Praktika bei uns Künstlern. Gestern auf einem Benefiz für »Frauen, Lesben und Behinderte« gespielt. In der Wurbelskirchener Stadthalle. Dorfschänke würd’s besser treffen. 800 lüsterne Bauern im Kulturschock: Man hatte ihnen eine Mixshow mit Frauen und Lesben versprochen und nun das: Blödes Rumgesinge und Jonglage. Da hatte die heimische Videothek eindeutig mehr zu bieten. Im Saal also ›Bauer sucht Frau‹, Gage null und kalt war’s auch noch, weil Frau Knecht und ich im Treppenhaus warten mussten. Das Dasein als Kleinkunst-Star hatte ich mir anders vorgestellt.
    Bei der Gelegenheit möchte ich überhaupt mal die Garderobensituation anprangern. Frau Knecht und ich zum Beispiel kriegen andauernd die Behinderten-Toilette als Garderobe und dann ist die noch nicht mal geputzt. Zu meinen persönlichen Garderoben-Favoriten zählen die ungeheizte Bowlingbahn (Speisegaststätte Brodotzki in Bochu m – Gott, da müssen wir dies Jahr wieder hin), das Erste-Hilfe-Zimmer (Tagungshotel Neuss) und die Rumpelkammer, in der ein Eckchen freigeräumt wird (unzählige Male).
    Da brezeln wir uns dann auf, die Frau Knecht und ich, zwischen Infusionsständern, altem Küchengerät und WC-Reiniger. Zum Beispiel für eine Firmenfeier. Firmenfeiern sind ja für alle Beteiligten unschön. Entweder bleibt man nüchtern, dann ist es pups-langweilig. Oder man lässt sich volllaufen, dann ist man am nächsten Tag aus verschiedenen Gründen arbeitslos (falsche Frau angegraben, ins Essen gekotzt, Reden geschwungen).
    Und in dieses ungesunde Spannungsfeld von Arbeitnehmer und Arbeitgeber stoßen dann Frau Knecht und ich, aufgebrezelt, tiefgefroren und nach Desinfektionsmittel riechend.

    Volk, das Pflegegerät und Knecht am Infusionsständer
    Deswegen nennen Künstler unter sich die Gage bei Firmenfeiern »Schmerzensgeld«. Naja, hier beim Wurbelskirchener Benefiz für Frauen, Lesben und Behinderte sind wir ja alle nur aus hehren Motiven. Wegen der Presse. Noch ein Benefiz und ich bin obdachlos. Mein Vermieter und meine Kreativität besitzen einfach keine nennenswerte Affinität zueinander. Dabei habe ich mir doch gerade so schöne Möbel gekauft.

11 Mal eben zu Ikea
    dachte ich. Unbeeindruckt von der Tatsache, dass es »mal eben« sowieso nicht gibt und schon gar nicht bei Ikea. Ein Einkauf bei Ikea ist, wie von einem Wal verschlungen zu werden, und in beiden Fällen gibt es nur einen Ausgang, und den erst, wenn man völlig am Arsch ist. Finster starrte ich auf den Eingang zum fensterlosen »Möbelparadies«. Wenn ich da reinginge, würde ich durch alle möglichen Themenbereiche latschen müssen, »Thema Schlafen« zum Beispiel, bis mich der Ikea-Moloch Stunden später hinter den riesigen SB-Regalen vorbei wieder an der Kasse ausspucken würde, bis obenhin beladen mit nutzlosem Krempelkram, Kerzen, Bettwäsche, Stofftieren und sonstigen Schätzen aus der Markthalle, die ich aus reiner mentaler Erschöpfung noch in meinen übervollen Wagen stopfen würde. Ich will da nicht rein, aber es nutzt nichts. Ich brauche billiges Möbelzeug. Tapfer greife ich nach dem blauen Faltblatt, auf dem »Wegweiser« steht und auf dem eine weiße gestrichelte Linie vortäuscht, es gäbe einen überschaubaren Weg durch die sauerstoffarme Hölle, die vor mir liegt. Komme mir vor wie Odysseus, aber der hatte es nur mit Zyklopen und Nymphen zu tun. Mir hingegen droht die aktuelle Deichmann-Schuh-Kollektion mit allem, was darin steckt, stakst und seine Umwelt akustisch verschmutzt.
    Hole noch mal tief Luft, betrete den Laufstall des Grauens und suche einen Ikea-Mitarbeiter. Stelle fest, dass Ikea-Mitstreiter mit den Möbeln verschmelzen, wenn man ihnen nahe kommt. Nur ein kleiner blau-gelber Kerl am Infodesk bleibt sitzen. Vielleicht hat er eine elektronische Fußfessel, die ihm Stromschläge verpasst, wenn er sich weiter als fünf Meter vom Infodesk entfernt, zumindest hoffe ich das. »Hallo«, sage ich, »ich bräuchte zwei Kommoden, bisschen rustikal, dazu eine Hängelampe und irgendwie eine Befestigung fürs Fernsehen, könnte ich das alles von hier aus bestellen und liefern lassen, dann finde ich nämlich noch den Weg zum Eingang zurück.«

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