Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau
Entscheidung für jetzt, ähm, also für deine Wohnung. Ähm? Du musst ja auch überlegen, wie du vielleicht in Zukunft wohnen wirst. Also sagen wir mal, du kriegst jetzt den Job bei Sat.1 in Berlin«, Seitenblick zu mir, ich gucke vorschriftsmäßig beeindruckt, »dann muss diese Kommode ja auch in dein neues Leben passen, ähm.« Sie: drei Köpfe kleiner, die X-Beine in Strumpfhosen und Wildlederstiefeln, eine französische Kappe schräg auf dem Kopf, im Gesamteindruck eine Mischung aus Robin Hood und Sarkozy, schaut bewundernd zu ihm auf: »Ach weißt du, wenn ich die Kommode sehe, also irgendwie steig ich da schon total drauf ein, also ich hab da schon ein ziemlich gutes Gefühl zu, so.« Und dann küssen sie sich auch noch, während im Hintergrund eine weitere Herde Hohlköpfe an uns vorbeitrampelt und dabei jeglichen Gedanken, oder was immer sie dafür halten, laut heraustrompeten.
Und wieder die Stimme der Super-Nanny am Rande des Nervenzusammenbruchs: »Die Eltern von Senol Akün und Justin-Marvin Schibulsky werden jetzt wirklich dringend gebeten, ihre Kinder aus dem Småland abzuholen.« Im Hintergrund hört man Akün und Schibulsky »bewaffneten Konflikt« spielen oder »krisenähnliche Kriegssituation« oder »kriegerische Auseinandersetzung« oder wie immer das man heutzutage nennt, wenn es um Leben und Tod geht. Und endlich spurtet eine tief verschleierte Frau Richtung Småland, vermutlich, um Akün einzusammeln. Wieso hampeln wir eigentlich in Afghanistan rum, vor Ort gibt’s doch genug zu tun, um die Freiheit zu verteidigen. Will meine Odyssee durch Ikea abkürzen, verlaufe mich, brauche doppelt so lange, habe jetzt wirklich Durst, schlage mich mit meiner Einkaufsliste in der schweißfeuchten Hand durch die Markthalle, also: »Glas und Porzellan, Küchenutensilien, Textil & Teppich, Verstauen und Ordnen, Beleuchtung, Dekoration, Wanddekoration sowie Pflanzen und Rattan« und treffe bei »Alles fürs Bad« endlich einen freundlichen, hilfsbereiten Ikea-Mitarbeiter, der meine Einkaufsliste um den Badspiegel der Serie »Godmorgon« ergänzt. Unwillkürlich sehe ich Hägar den Schrecklichen vor mir, der seine Truppen anranzt: »Godmorgon! Hoben olle gedoscht ond öhre Bärte eingeflochton?« Der freundliche Ikea-Mitarbeiter betrachtet mein hilfloses Gegiggel und verabschiedet mich mit den Worten: »Na, ich glaube, es wird Zeit, dass Sie den Ausgang finde n …«, bevor er hüftschwingend von dannen zieht, nur ein Hauch von Parfum verweilt in der Luft. Was ist nur aus den schwulen Raumausstattern geworden, dass sie jetzt bei Ikea anschaffen müssen. Bei einer gelb-blauen Uniform nutzt auch das kleine Einstecktuch nichts. Pang. Småland sendet wieder: Godmorgon Vietnam! Und informiert mich, das Akün und Schibulsky jetzt Religionskriege spielen, woraufhin ich einige Eltern mit ihrer Brut losgaloppieren sehe, um die erforderliche Truppenverstärkung nachzureichen. Warum? Keine Ahnung. Über den unfassbar komplizierten Gardinensystemen hängt ein Schild: »Antworten auf deine Fragen findest du hier«. Darunter ein Text. Ach ja? »Und was ist mit den 5 0 Prozent eurer Kunden, die nicht lesen können?«, rufe ich und lasse mich auf einer Woge des Nicht-Leiden-Könnens mitsamt meiner Einkaufsliste zur Kasse trage n – nur um dort ein Stündchen später zu erfahren, dass eine Einkaufsliste kein Auftragsformular ist und ich zurückgehen muss, um einen Mitarbeiter zu finden, der meine Einkaufsliste in ein Auftragsformular verwandelt. Komme mir vor wie bei Mensch-Ärger-Dich, ich, wutrot, muss zurück ins Häuschen, um ein blaues oder gelbes Männchen rauszuschmeißen. Doch schließlich ist alles geschafft, ich kehre heim zu meinem Gefährten und lasse mich eine Woche lang feiern, bis die Möbel eintreffen und sowohl Spontan als auch Leksvik nicht passen. Überlege kurz, den ganzen Möbel-Schweinkram anonym mit einer Micky-Maus-Maske auf dem Kopf umzutauschen, entscheide mich dagegen. Erhalte einen Gutschein und entwickle spontan die Idee, statt die ganze Irrfahrt von vorn zu beginnen, mich einfach durch die Kasse zu pfuschen und in entgegengesetzer Richtung abzukürzen. Gegen den Strom! Eigene Wege gehen, Widerstand leisten, Einzelkämpfer Volk, Volk Guevara, Andrea Hood, wie sie alle heißen. Zehn Minuten lang fühle ich mich wild, frei und rebellisch, danach fühle ich mich nur noch scheiße, denn ich habe übersehen, dass mir das ganze Elend ja nun frontal entgegenkommt. Habe mich zum Småland bringen lassen
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