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Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Titel: Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Volk
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und meinen Freund angerufen. »Die kleine Andrea möchte dringend abgeholt werden.«
    3 . Oktober, Tag der deutschen Einheit, Tagungshotel Neuss, Garderobe: Aufsichtsratsbüro!
    Wie witzig, dass ausgerechnet am Tag der deutschen Einheit Frau Knecht und ich mal Geld verdienen! Heute kommt dank der Justizgewerkschaft mal mehr rein, als über den Solidaritätsbeitrag direkt wieder rausfliegt, toll! Blühende Landschaften. Blühende Fantasie, höchstens. Bis jetzt blühen im Osten doch nur Jung-Nazis und DDR-Nostalgiker (war ja nicht alles schlecht) und der einzige Zonen-Exportschlager ist der Gregor Gysi und den hätten sie von mir aus gerne behalten können. Sozialismus mit menschlichem Antlit z – aber dann doch nicht ausgerechnet den Gysi! Wenn die nichts zu bieten haben als alte Seilschaften, will ich sofort meinen Solidaritätsbeitrag zurück!

    Knecht und Volk, Aufsichtsrats-Schreibtisch
    Frau Knecht und ich lümmeln uns zufrieden in einer endlich mal uns angemessenen, feudal-kapitalistischen Garderob e – dem Büro für die Aufsichtsräte! Da zahlt es sich aus, wenn man Freunde bei der Justiz hat. Frau Knecht und ich haben uns natürlich auch dementsprechend zu benehmen gewusst. Aufsichtsratsmäßig.
    Hatte für die Justizgewerkschaft zufällig ein passendes Geschichtchen parat, erzählt aus der Perspektive eines Bediensteten einer Justizvollzugsanstalt.

12 JVA Bedenhoden
    Mein Name ist Ramsl, Manfred Ramsl. Seit 2 5 Jahren bin ich Strafvollzugsbeamter der JVA Bedenhoden. Hauptsächlich tu ich Dienst im Bloc k D, bei den Langstrafen, das ist alles ab zwei Jahre aufwärts. Mein Verhältnis zu den Gefangenen ist gut. Ich sach immer: Leben und leben lassen. Wenn die sich anständig aufführen, gibt’s auch ein Miteinander. Gerade die schweren Jungs, Fünfer aufwärts, sind oft ganz feine Kerle. Denen ist nur bei der Lebensplanung was dazwischengekommen. Die falsche Frau, eine Tankstelle. Und eine 45er, zum Beispiel.
    Ich nehme meinen Job sehr ernst, ich resozialisiere sozusagen aus vollem Herzen. Sonntags zum Bespiel wird der Gemeinschaftsraum in Flügel A zur Kirche. Das ist der Raum neben dem Kraftraum, da dürfen die auch einmal die Woche rein. Und sonntags Kirche ist wie Dienstag Kraftrau m – alle wollen mit. Die werden hier alle fromm in Bloc k D, das ist ein Anblick, sonntags, 50 0 Jahre schwer tätowierter Knast singt Halleluja und die Bibel geht von Hand zu Hand. Rührend. Gut, da liegt auch schon mal ein Briefchen in der Bibel: »Nächste Freistunde bleibst du besser drin, sonst bring ich dich um.« Oder ein Briefchen »Hereun«, der Drogenstoff da. Naja, danach sind die wenigstens schön ruhig. Ich mag die Arbeit mit Menschen. Was ich wirklich hasse, ist die Schreiberei. Für jeden Mist einen Bericht. Letztens musste ich Stellungnahme abgeben zur Halbstrafe des Gefangenen Biko Botawamungo. Halbstrafe heißt, nach der Hälfte der Zeit wird geprüft, ob der Biko vorzeitig auf Bewährung entlassen werden kann. Ich mein ja. Der Biko hat halt beinahe seine Frau totgeschlagen. Aber doch nur beinahe! Da hat er doch noch eine Chance verdient! Hab ich geschrieben:
    Der nach Freiheitsentziehung rentenversicherungspflichtig in der JVA Bedenhoden beschäftigte Biko Botawamungo zeichnete sich bei seinem Arbeitseinsatz in den anstaltseigenen Werkstätten durch großen Fleiß bei der Verlötung von Elektrokabeln im Akkord aus. Die zur Meldung gebrachten Vorfälle, in denen der Gefangene Botawamungo ausrutschte und mit dem Arbeitswerkmesser in diverse Mitgefangene fiel (fünf Mal), sind auf Nichtbeachtung von Sicherheitsvorschriften und die körpereigene Grobschlächtigkeit des Gefangenen Botawamungo zurückzuführen. Der von mir getätigte Ausspruch: »Macht das unter euch aus, Jungs« ist auf die Situation permanenter Überforderung von Justizbeamten zurückzuführen.
    Gez. Ramsl, Manfred, JVA Bedenhoden
    Da war ich schon ein bisschen stolz auf mich. Hat aber alles nichts genutzt. Jetzt lassen die den Biko nicht frei, sondern schieben ihn ab! Wofür hab ich den denn sechs Jahre resozialisiert? Dass der jetzt Sicherheitsberater beim Mugabe wird? Da ist der Wurm drin in der deutschen Justiz, meine Meinung. Letztens mussten wir die Zellen filzen, wegen Alkohol-Verdacht. Die Jungs brauen ja hier selbst, da wird man blass vor Neid. Die Deutschen haben’s nicht so gut drauf, die nehmen sich meist nur einen Putzeimer, kippen Fruchtsaft rein, klauen beim Küchendienst Hefe, holen sich beim Einkauf Zucker (wir haben hier

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