Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Titel: Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Volk
Vom Netzwerk:
bestenfalls. Wir legten unsere Asis-Kostüme an (weiße Stiefel, Glitzerbauchfrei-Kleider in rosa-weiß sowie mehrere Kappen mit Dollarzeichen übereinander) und traten ans Fenster in der Hoffnung, doch noch ein Fitzelchen Sauerstoff außer dem Dunst der Hühnerbeine zu erwischen. Auf dem Hoffest direkt unter unserem Fenster trafen soeben die ersten Wurbelskirchener Jungproleten und -innen ein, sämtlich gewandet in weiße Stiefel, Ed-Hardy-Imitate und rosa-weiße Overalls aus Flugseide. Fröhlich winkten sie zu uns hoch, teilten wir doch alle offensichtlich denselben Modegeschmack. Diesen Moment nutzte Herr Hortenschneider, um die Klimaanlage anzuwerfen, die auch noch den letzten Hühnerbein-Dunst in die Garderobe sog. Wir tasteten uns blind vor zur Bühne. Drei Auftritte lang war es bumsvoll und ein schöner Erfolg. Beim vierten Auftritt um Mitternacht blieb die erste Reihe leer, in der zweiten Reihe saßen zwei giftige Omas, die nur darauf warteten, dass das Wort »Sex« fallen würde, um entrüstet aufzustehen, sowie einige Damen, die sich um einen jungen Mann drängten. Der junge Mann starrte uns mit offenem Mund an. Wir spielten los und endlich kam die Stelle, wo wir einen aus dem Publikum ansprechen. »Na«, sagte Frau Knecht zu dem jungen Mann zwischen dem Damenquartett, »und wie heißen Sie?« »Uuähh«, sagt der junge Mann, klappte den Kiefer auf und entließ einen Sabberfaden. »Er heißt Jonas«, sagte die Frau neben ihm. Stille. Mit unfehlbarem Gespür für den letzten Fettnapf im Raum hatten wir uns beim Leuteverarschen den einzigen Behinderten rausgepickt. Obwohl man das Wort »Behinderte« wahrscheinlich gar nicht mehr benutzen darf, weil Behinderte jetzt bestimmt »Menschen mit besonderen Vorzügen« heißen oder so ähnlich. Wir zwei wandelnden Fettnäpfe fuhren nach Hause.

13 Meine Sauna
    Da saß ich wieder mit meiner Winterdepression bei einer schönen Tasse Kaffee zusammen. Ich hätte mich ja gerne bei meinem Liebsten ausgeheult, aber wir hatten gerade Krach. Echt großartig. Herz und Konten leer, nach Wurbelskirchen würden sie uns nie wieder einladen und draußen zerrte der eisige Oktoberwind die letzten Blätter von den Bäumen. Hier half nur eins, Tasche packen und ab in die Lieblingssauna, bei leisem Wassergeplätscher, heißen Aufgüssen und dezentem Gemurmel der Saunagäste entspannen gehen. Vielleicht würde ich mir noch eine Massage gönnen und friedlich auf einer Wolke von Wohlgeruch nach Hause schweben. Soviel zur Theorie.
    In der Praxis stand ich eine Stunde später in meinem roten Kapuzen-Bademantel fassungslos in der Sauna. Vermutlich sah ich aus wie ein staunender Gartenzwerg, nur statt Schubkarre mit einer Sporttasche bewaffnet. Irgendein Fortschrittsneurotiker war über meine Sauna hergefallen und hatte sie in eine »Event-Sauna« verwandelt. Überall pulsierten Lichterketten, Projektoren warfen Muster an die Wand, die aussahen wie eine Straßenkarte aus dem Innern eines Termitenhügels, und aus Lautsprechertürmen dröhnte ein Mix aus Meditationsmusik, Wasserplätschern und Vogelgezwitscher. In der einen Sauna rotierte eine Diskokugel, in der andern ein launiger Bademeister. Und da sich »events«, egal wie dumm-blöd, in Köln auf geradezu magische Weise herumsprechen, hatte meine »Event-Sauna« bereits genau die Sorte Dummbeutel angezogen, die ich als »Brontosaunus« bezeichne. Einen »Brontosaunus« erkennt man an der dicken Goldkette, den Che-Guevara-Tattoos und dem ungebremsten Paarungswillen. Treffen, wie in Event-Saunen üblich ist, mehrere Bronotsauni aufeinander, gibt es natürlich Revierkämpfe. Direkt vor meiner Nase trugen mehrere Brontis ihre Rangstreitigkeiten aus, indem sie sich gegenseitig auf die Schultern schlugen und mit ihren Goldketten klingelten. Überhaupt ist »laut« ein gutes Adjektiv für das Zusammentreffen mehrerer Brontosauni. Nachdem sie sich lange genug gegenseitig ihren Respekt bezeugt hatte n – inklusive alle Saunagäste über den Stand ihrer Beziehung, ihrer Autos und ihres Mageninhalts informiert hatten, gingen sie gemeinsam in den Aufguss. Was sollte ich machen? Ich ging hinterher. Beim Aufguss war es genau wie erwartet: Das ranghöchste Männchen mit den meisten Goldkettchen kletterte auf die oberste Bank, wo es durch viel Schweiß und sich selbst auf den Oberkörper Klatschen seine Duftmarke setzte. Und den besten Ausblick auf die Weibchen hatte. Ich machte mich möglichst klein und zierlic h – was schon aufgrund meiner Riesen-Nase

Weitere Kostenlose Bücher