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Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Titel: Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Volk
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schwächsten Manager im Rudel rennen immer noch alle Nase lang aufs Klo und schnupfen Kokain. Weiter oben in der Rangfolge setzen die Männchen ihre Duftmarken mit teuren Zigarren, diskretem Aftershave und in Absinth mariniertem Eis, das sie in ihren Cocktailgläsern schwenken. »Top-Lounges« finden im Regelfall in Piano Bars statt, die in warmen Braun-und Goldtönen changieren und in denen selbst ein Glas Leitungswasser niveauvoll schimmert. Kneift man die Augen ein wenig zu und lässt den Assoziationen freien Lauf, erhält die Szene eine zarte Patina, wie eine Fotografie aus den 30er Jahren: Goldgräberstimmung, Whisky verkaufen zu Zeiten der Prohibition, Melone und Spazierstock. Traumzarte Erinnerungen der industriellen Revolution: blasse Kinder, verhärmte Mütter. Ein Spritzer bitteren Beigeschmacks zum Abrunden des Aromas gleich in Absinth mariniertem Eis. »Die Weber«. Und schon geschmolzen.
    Die in das gesellschaftliche Korsett gezwängten Mammut-Jäger ergreifen jede Gelegenheit, diese Zwänge abzustreifen. Mancher Manager flieht dazu auf die Toilette, zerrt an seiner Krawatte und flucht sich in den Anzug. Aber leise, um den Kokser in der Kabine nebenan nicht zu stören. Dem gemeinen Manager bleiben wenig Möglichkeiten, Dampf abzulassen. Manche spielen Squash und stellen sich vor, der Ball wäre ihr Chef, andere begeben sich in sogenannten »Managerseminaren« in die Hände hirnbefreiter Therapeuten. Die Therapeuten überreden die Manager, sich gegenseitig in die Arme zu sinken, um »Vertrauen« und »Fallenlassen« zu üben. Wa s – würden Manager das in der Geschäftswelt tu n – das letzte wäre, was sie täten. Zwischendurch müssen sie ur-schreien, sich beim Klettern gegenseitig stützen und schlimmstenfalls raus auf die Felder und Bäume umarmen. Therapeuten nennen das »Kontakt mit dem Ich aufnehmen«. Wenn die Manager zu viel Kontakt mit ihrem Ich aufnehmen und der Mammut-Jäger erwacht, ist das nicht immer gut für den Therapeuten. Zum Abschluss des Seminars muss jeder einen Aufsatz über »Teamgeist« schreiben. Dies führt zu Persönlichkeitsspaltungen, die sich im sogenannten »Bullshit-Bingo« manifestieren. »Bullshit-Bingo« ist ein Spiel, das Manager bei Meetings heimlich unterm Tisch spielen. Wer zuerst aus Worten wie »Global Player«, »Corporate Identity«, »Benchmark«, »kundenorientiert« und »Synergie-Effekt« eine Fünferreihe bilden kann, darf aufstehen und laut »Bullshit« brüllen. Armer Mamut-Jäger, darfst nur noch Mammon jagen.
    Köln, 6 . Dezember, Nikolaus
    Oder heißt der jetzt neudeutsch: »Zipfelmützen-Mann mit Weihnachts-Hintergrund«?
    Bin schon ein sehr erfolgreicher Manager, was groß-kotziges Verhalten und Soße am Kinn angeht. Ansonsten ist mein Konto leider immer noch knietief im Dispo. Dabei ist bald Weihnachten. Muss ich wieder allen Gutscheine schenken, die sie Gott sei Dank meist vergessen einzulösen. Wenn ich mit der Familie in den Schnee fahren wil l – und mir den Spaß, mit der Adams-Family im Fünf-Sterne-Hotel abzusteigen, nicht entgehen lassen will, muss ich schnell noch ein bisschen Taschengeld verdienen gehen. Habe bei einem Fernsehsender angerufen. Die brauchen eine Urlaubsvertretung.

16 Rituale der Arbeitswelt: Stress
    Wenn man als temporärer Lohnsklave undercover »ganz oben«, also beim Fernsehen, arbeitet, entdeckt man: Was von außen so arbeitnehmerfreundlich wirkt, ist von innen tatsächlich purer Stress. Vor allem fest angestellte Fernseh-Mitarbeiter leiden unter Stress. Ihr Leben lang. 38, 5 Stunden bei festem Gehalt und festen Tischzeiten. Stress pur im Zentrum der Aufklärung. Viele Männchen tragen daher einen humorvoll-skeptischen Blick, manche auch eine Pfeife, womit nicht der Azubi gemeint ist. Sagt eines der Männche n – in der Regel das Alpha-Männche n –, »bin im Stress«, muss das Rudel augenverdrehend abwinken. Um Stress abzubauen, raufen sich Fernseh-Mitarbeiter in akuten Stress-Situationen (also beispielsweise jemand klopft an die Tür) die Haare. Viele Männchen tragen aus diesem Grund einen Haarkranz zur Pfeife, das wirkt intellektuell und strömt enorme Ruhe aus.
    Rundfunk-Weibchen pflegen trotz Stress einen freundlichen, fast liebevollen Umgang miteinander. Ab drei Weibchen pro Büro gilt allerdings das Rattenprinzip: Steckst du zu viele in einen Käfig, fressen sie sich gegenseitig auf. Die Weibchen führen das Haareraufen eher symbolisch aus und legen sich mittels komplizierter Fönfrisuren Zurückhaltung

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