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Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Titel: Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Volk
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und lacht gekünstelt mit.
    In diesem Moment kommen die Raucher wieder rein, latschen über unser Eckchen vorm Schnapsschrank und setzen sich stuhlscharrend hin. Frau Knecht singt schön, das kann sie gut. Beierlein öffnet die zweite Flasche. Frau Beierlein sagt »Dieter, bitte« und legt warnend die Hand übers Glas. Lackmann, mittlerweile ohne Krawatte und mit offenem Hemd, fragt, ob wir die Tänzerinnen sind, er hätte Tänzerinnen bestellt. Herr Beierlein nimmt mehrere Anläufe, sich aus dem Stuhl zu wuchten, sagt dann aber doch nur, es wird Zeit, dass sich was ändert, und trinkt sein Glas leer. Frau Knecht und ich singen und hampeln rum. Der Oberkellner an der Anlage provoziert mehrere Rückkopplungen. Der Rest sitzt, schweigt und rülpst leise. Ich lese eine lustige Geschichte vor. Lackmann, die Füße auf dem Tisch, versteht die Geschichte nicht. Lackmann lacht nicht. Wer von der Belegschaft lachen muss, tarnt dies als Husten. Manche schnäuzen vernehmlich ins Taschentuch. Zum ersten Mal in meinem Leben wird mir Beifall geschnäuzt. Wir nähern uns dem Höhepunkt des Abends, dem Karnevalsteil. Lackmanns Sekretärin hatte uns dahin gehend gebrieft: »Herr Lackmann ist ein echter Karnevalsjeck und sein Stellvertreter, Dr . Richartz, singt die von Herrn Lackmann angestimmten Lieder mit.« Also holen wir Lackmann und Richartz auf unsere drei Quadratmeter vorm Schnapsschrank. Lackmann marschiert kregel voran, Richartz folgt wie ein Schaf zur Schlachtbank. Wir nehmen zu viert nebeneinander Aufstellung. Lackmann hält sich an unserer Taille fest und nuschelt, »was nun eigentlich mit den Tänzerinnen ist.« Frau Lackmann erdolcht uns mit Blicken und klingelt drohend mit ihren Diamantarmbändern. Wir setzen Herrn Lackmann und Dr . Richartz ebenfalls alberne Weihnachtsmützen auf. Dr . Richartz sieht aus wie Papa Schlumpf, nur dass er nicht blau ist, das übernimmt Lackmann. Wir singen zu viert Viva Colonia und schmeißen die Beine, für zufällig durchs Fenster schauende Passanten ein lustiger Anblick, für uns Inhaftierte der Weihnachtsfeier weniger. Dr . Richartz (Papa Schlumpf) reißt sich sofort nach dem Lied die Mütze runter und will gehen. Lackmann hält ihn fest und informiert die Belegschaft, dass Richartz aus dem Sauerland kommt: »Der Richartz ist ein richtiger Sauerländer Sauertopf«, lallt Lackmann. Dr . Richartz lächelt gezwungen, Betriebsrat Beierlein fällt vor Lachen vom Stuhl. Der Rest der Belegschaft trinkt hastig einen Schluck. Lackmann nötigt Richartz zum Bleiben, indem er spielerisch mit der Kündigung droht. Wir singen zu viert »Superjeile Zick«. Aus Beierleins Anzug nuschelt das Wort »Tarifautonomie«. Frau Beierlein nimmt ihn fest an die Krawatte und sagt »Dieter, Schluss jetzt«. Lackmann fragt, wo die Tänzerinnen bleiben. In diesem Moment haut der Oberkellner »Eine Muh, eine Mäh, eine Täterätätä« auf die Anlage, woraufhin ein Rudel verdatterter Kellner, allesamt mit Weihnachtsmütze auf dem Kopf, im Gleichschritt einmarschiert, links Kuchenteller in der Hand, rechts Wunderkerze. Der Einmarsch ist zügig erledigt, denn zwischen Wurstplatten, Schnapsschrank und Belegschaft ist nicht viel Platz. Da »Eine Muh, eine Mäh, eine Täterätätä« aber um die 5 0 Strophen hat, trampeln die Kellner schweigend auf der Stelle wie eine schlecht getarnte Bundeswehr-Kompanie und schwenken hilflos Wunderkerzen und Kuchenteller. Irgendwann nur noch Kuchenteller. Die 50 . Strophe verklingt. Wir bestaunen schweigend unsere Weihnachtsmützen. Nur Lackmann stört die besinnliche Ruhe und fragt ungehalten, wo eigentlich die verdammten Tänzerinnen bleiben. Ich sage ihm, dass ich es nicht weiß. »Na, egal«, sagt Herr Lackmann, »Hauptsache, die Nutten sind pünktlich.«
    Mönchen-Gladbach, 3 . Dezember, grau, aber trocken, Location: »Die, deren Name nicht genannt werden darf«
    Liebe Güte, wo sind wir denn heute wieder gelandet? Die Location ist so dunkel und schmuddelig, dass sich eine Gruft dagegen wie ein Wellness-Tempel ausmacht. Umziehen müssen wir uns im Badezimmer des Veranstalters.
    Da stand auf der Ablage vom Waschbecken ein Glas mit irgendwas Schaurigem drin, vielleicht abgeschnittene Zehennägel, vielleicht Bachblüten. Möglicherweise auch Delikatessen aus dem Inneren eines Hornhauthobel s – wir haben es nicht näher untersucht.
    In solchen Momenten vergeht einem der Hunger wie von selbst. Habe ich mich eigentlich schon gebührend über die Verköstigung eines Glamourgirls

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