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Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Titel: Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Volk
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dezent in die Anzugjacke verschwinden. Ich kenne den Trick. In friedliche Stille getaucht beobachtet der Sheriff einfach die Münder der anderen. Wenn die mal stillstehen, was kaum vorkommt, fragt er einfach nach irgendeinem Verwandten. »Schalter haben in die andere Richtung und bling-blin g …« Tante Anita macht eine ratlose Pause. »Was macht eigentlich Onkel Willi?«, trompetet der Sheriff fröhlich. Onkel Otto hebt die schweren Fensterläden seiner Augen. Er kennt den Trick, verrät ihn aber nicht, aus Männersolidarität. Phil bekommt seinen neunten Wutanfall, aber die Stricke aus Geschenkband halten. Mein Freund drückt mir ein riesiges Paket in die Hände. »Wir schenken uns ja nichts«, sagt er und lächelt strahlend. »Och, Schatz«, sage ich und kämpfe mit dem Packpapier, »eine Kleinigkeit hätte es doch auch getan. Ein Einkaräter zum Beispiel.« Aber nein, er hat mir eine Motocross-Ausrüstung geschenkt. Und das, wo ich doch Schiss hab beim Motorradfahren. Der Sack. Schenke ihm aus Rache einen Boss-Anzug, den er, wie ich weiß, beim nächsten Motorradfahrer-Treffen auf dem Sonnenwendfeuer rituell verbrennen wird, während seine zahnlosen Kumpels in ihren Speckjacken ums Feuer stehen und Bier in die Flammen schütten.
    »Was macht eigentlich Onkel Friedel?«, trompetet der Sheriff. Keiner antwortet. Die Familie überhäuft sich mit Bergen von Geschenken und Halbsätze wie »Nur eine Kleinigkeit«, »Schön, dass du dran gedacht hast«, »Das ist ja mal eine Überraschung« oder »Steck’s dir dahin, wo’s immer dunkel ist« schwirren durch den Raum. Phil bekommt seinen zehnten Wutanfall, zerreißt die Strippen und beißt mir in den Fuß. Häusliche Gewalt geht sehr oft auch von Kindern aus.
    Meine Quasi-Schwägerin Ivy toppt die Geschenke-Show, indem sie eine Kette geklauter Plus-Einkaufswagen aus dem Schlafzimmer zieht, bis obenhin mit »Kleinigkeiten« vollgepackt. Weihnachtssieger wird aber mein Bruder, der mit den Worten »Nur eine kleine Aufmerksamkeit« die Terrassentür öffnet und mir zehn nackte Neger im Sambaröckchen offeriert, die sogleich ein wenig Rio-Ambiente in unser Wohnzimmer bringen. »Das wär doch nicht nötig gewesen«, sage ich hocherfreut, zieh dann aber gleich ein nachdenkliches Gesicht, um das drohende Beziehungsgespräch abzuwenden. Der richtige Moment also, meinem kleinen Neffen Phil sein Geschenk zu überreichen: ein eineinhalb Meter großer Kampfhubschrauber mit integriertem Original-Kampf-Getöse-mp3-Player sowie einer Solarzelle, die dafür sorgt, dass genervte Eltern den Krach nicht mittels Herausnehmen der Batterie abstellen können. Phil nimmt seinen neuen Hubschrauber und schmeißt ihn in den Weihnachtsbaum, der daraufhin unter Bombenfeuer, Maschinengewehr-Geknatter und Schreien Getroffener unter realistischen akustischen Bedingungen einen Großteil seiner Dekoration einbüßt. »Schaut«, sage ich und deute auf Phil, »wie niedlich. Oberst Klein räumt auf.« Sein Vater Pietje guckt mich ziemlich böse an, finde ich, quetscht sich dann aber doch ein »Schön, dass du dran gedacht hast« raus. »Die Geste zählt«, antworte ich vergnügt. »Was macht eigentlich Tante Margit?«, trötet der Sheriff über die Gewehrsalven hinweg wie ein verirrter Elefantenbulle, der seine Herde sucht, während Mama immer nachdenklicher in die Flammen schaut. Naja, ich hatte mich ohnehin gefragt, wie eine so gepflegte und intelligente Frau in diese Familie gekommen ist.
    Schließlich ist alles ausgepackt, wir hocken auf Bergen von Geschenkpapier wie ein Rudel erschöpfter Kannibalen nach dem Festmahl, während die Häute unserer Feinde den Boden bedecken. Nun versuchen wir, sowas wie ein weihnachtliches Gefühl hinzumurksen, also unterhalten wir uns. Die Sambatänzer müssen deshalb raus auf die Terrasse, zusammen mit Phil und seinem Hubschrauber.
    Der Sheriff fängt an: »Was macht eigentlich Onkel Willi?« Und endlich antwortet jemand. Tante Anita: »Der Willi hat jetzt seinen Körper der Wissenschaft überschrieben.« Tante Peggy: »Echt? Für dieses Körperwelten?« Tante Anita schüttelt den Kopf und genehmigt sich ein Schlückchen Wein. »Nein, für die Pathologie an der Uni, die Studenten brauchen doch Leichen da. Zum Üben.« Im Radio läuft »Stille Nacht«. Tante Peggy: »Und da nehmen die den Willy?« Onkel Otto: »Siehste, in jedem Menschen steckt was Gutes.« Meine Schwester Elli: »Auch im Berlusconi?« Onkel Otto: »Wenn Sie den mal aufschlitzen, finden sie vielleicht

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