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Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau

Titel: Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Volk
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weniger Stress.
    Duisburg, 25 . Dezember, schmierig graues Wetter
    Gestern war Weihnachten und morgen fahren wir in den Urlaub. Freu mich schon!

17 Wir schenken uns ja nichts
    Weihnachten, das Fest des Einzelhandels, ist vorbei. Der Konsum-Terror hat ein Ende. Schade eigentlich. Gerade heutzutage, wo sich jeder Blödmanns-Terrorist aus dem tiefsten Mittelalter in die Gegenwart sprengt, hat Konsum-Terror doch etwas zutiefst sympathisches! Handy-Gespräche in der Bahn zum Beispiel sind viel schlimmer als Konsum-Terror. Gott sei Dank denkt meine Familie genauso. Zwar versichern wir uns schon Wochen vor Weihnachten: »Dies’ Jahr schenken wir uns aber nichts. Höchstens eine Kleinigkeit.« »Genau«, sagt mein Bruder dann, »die Geste zählt.« Und dann gucken wir, wer von uns auf den Scheiß reinfällt. Meist nur ein frisch gewonnenes Familienmitglied, das dann Weihnachten mit Popels-Kram in der Hand da steht und stumm um Verzeihung fleht, während wir anderen ihn mit unseren Gaben überhäufen und dazu Bösartigkeiten von uns geben wie: »Hauptsache, du hast überhaupt dran gedacht.« Oder: »Der gute Wille zählt.« Oder: »Das ist ja mal, öhm, originell. Was’n das eigentlich?« Oft sind wir das neue Familienmitglied gleich nach Weihnachten wieder los.
    Auch dieses Jahr hockte im Großen und Ganzen dieselbe Besetzung wie immer am heimischen Esstisch, fein ausstaffiert: Oben am Tisch die Alten: der Sheriff, unser Papa, mit seinem beigen Hörgerät passend zum Anzug, unsere elegante Mama, die Weihnachten noch ernst nimmt, Onkel Otto, Schiffer, mit Händen wie Gulli-Deckel und schweren Augenlidern, die er hochzieht wie andere eine Jalousie, Tante Anita, die die Unterhaltung gerne mal ein Stündchen alleine bestreitet, und meine äußerst kregle 70-jährige Tante Peggy, die nur einen Kopf größer ist als eine Parkuhr, aber doppelt so laut.
    Unten am Tisch sitzen wir, die sogenannte »Jugend«, alle um die 40, also meine Geschwister und ich nebst Anhang und mein dreijähriger Neffe Phil, der unterm Tisch lebt zusammen mit seinen Wutanfällen.
    Und schon hebt sich der Vorhang zur großen Weihnachts-Geschenke-Show. Meine Schwester, genau wie ich mit einem kleinen Wohlfühl-Bäuchlein gesegnet, eröffnet den weihnachtlichen Schlagabtausch mit einer Fünf-Kilo-Packung gefüllten Lindt-Pralinés für mich. Das Aas. Meine Lieblings-Pralinés. Kann ich mir die fünf Kilo auch direkt um die Hüfte binden. Ich kontere mit einer Brigitte-26-Wochen-Frühlingsdiät, eingepackt in einem Dauerabo für die Weight-Watchers. Das wird sie zum Nachdenken anregen. »Die Geste zählt«, versichern wir uns gegenseitig mit vollen Backen. Dann hole ich zum Überraschungsschlag aus und zaubere eine Calvin-Klein-Jeans für sie aus meiner Tasche. In Größe 164. »Frohe Weihnachten«, sag ich, »und immer schön dranbleiben«, sabber ein bisschen Schokolade auf ihre Hose und wappne mich für den Gegenschlag, der nach den Gesetzen des kalten Krieges nun folgen muss. Aber nei n – Elli schenkt mir einen Gutschein! Einen, den ich tatsächlich gebrauchen kann! Und meine Quasi-Schwägerin Ivy setzt noch eins drauf und schenkt mir einen total schönen Silberschmuck! Sowas hasse ich. Wenn Leute einfach absichtslos nett zu mir sind. Normalerweise bin ich dann so lange mistig, bis sich das von selbst wieder erledigt. Im Radio läuft »Lasst uns froh und munter sein«. Zähneknirschend singen wir mit. Der Sheriff trompetet dazwischen. »Ja, ja, schön, schön«, sagt er und dreht irritiert irgendwas zwischen den Händen. »Nur eine Kleinigkeit«, sagt Tante Anita und lächelt perfide, »für’n Schreibtisch!« Dazu muss man wissen, dass der Sheriff Papierkram meidet wie der Teufel Weihwasser. Tante Anita muss mit dem Sheriff eine spezielle Rechnung offen haben, denn nun zückt sie auch noch die achtseitige Gebrauchsanleitung, eins zu eins aus dem Chinesischen übersetzt, und liest sie dem Sheriff vor. Diesen besinnlichen Moment nutzt Phil unterm Tisch, um den achten Wutanfall des Abends in die Welt zu brüllen. Gott sei Dank hab ich ihn am Tischbein festgebunden, so kann ich ihn wenigstens ab und zu heimlich treten. Im Radio läuft »Ihr Kinderlein kommet«.
    Ich beobachte den Sheriff, der jedes Jahr für alle das Essen bezahlt und deshalb keine Geschenke kaufen muss. Scheinbar Tante Anitas Vortrag lauschend: »Die Gerät strecken in Strecker andere leiten die Strom dan n …«, gleitet seine Hand zum rechten Ohr, erwischt das Hörgerät und lässt es

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