JFK -Staatsstreich in Amerika
»Kanaken« oder »Schlampen«. Und Journalisten, denen dissonante
Fakten vorgehalten werden, wehren diese ab, indem sie die Überbringer als
unseriöse, allein pekuniären Absichten folgende »Verschwörungstheoretiker«
bezeichnen. Und versuchen gleichzeitig, den Rest der Welt zu ihrem von
dissonanten Fakten befreiten Glauben zu bekehren: an niemals kriminelle
Staatsorgane, an ein stets akribisch ermittelndes FBI, an eine nur im Ausland
mordende CIA und an das Märchen von der magischen Kugel des verrückten
kommunistischen Einzeltäters Lee Harvey Oswald.
Fünfzig Jahre nach dem 22. November
1963 wird es höchste Zeit, sich diesen Dissonanzen endlich zu stellen – nicht
nur für die Bürgerinnen und Bürger der USA, die die offizielle Legende vom
Einzeltäter Oswald mehrheitlich noch nie für die Wahrheit gehalten haben,
sondern vor allem für die Meinungsmacher, Leitartikler, Journalisten und
Historiker. Es ist auch höchste Zeit, dass diese sich von dem billigen Argument
verabschieden, »dass wir die Wahrheit über den Kennedy-Mord wohl nie erfahren
werden«, um sich mit dieser selbsterfüllenden Prophezeiung vor der
Verantwortung zu drücken, die Lügen über diesen Mord zu entlarven. Andere
Länder wie zum Beispiel Südafrika, Chile oder Argentinien haben in teilweise
schmerzhaften Prozessen vorgemacht, wie eine Nation mit schrecklichen
»Staatsverbrechen gegen die Demokratie« umgehen kann – und umgehen muss, um sie
in Zukunft zu vermeiden.
Solange aber die Vereinigten Staaten
diesen Beispielen nicht folgen, solange die verdeckte Staatsaktion zur
Ermordung Kennedys nicht restlos aufgeklärt wird, solange Staatsverbrechen
gegen die Demokratie ungeklärt und unbestraft begangen werden können, solange
werden sie sich wiederholen. Nur, wer das will, kann den Fall John F. Kennedys
für erledigt erklären und das Märchen von Oswald und der magischen Kugel in den
Geschichtsbüchern stehen lassen.
Nachwort
Als John F. Kennedy ermordet
wurde, war ich neun Jahre alt. Seinen Namen hatte ich wohl schon einmal gehört,
und weil wir seit kurzem einen Fernseher hatten, ihn vielleicht auch schon
einmal auf dem Bildschirm gesehen, aber dort interessierten mich nur Fury , Lassie und Fußball, von Politik wusste ich nichts. Und doch ist sein Tod
das erste politische Ereignis, das mir in dauerhafter Erinnerung geblieben ist.
Denn am Morgen danach, als ich zum Frühstück in die Küche kam und meine
Haferflocken löffelte, sah ich meine Mutter, die mir gegenüber saß und in der Zeitung
las, weinen. »Warum weinst du, Mama?«, fragte ich. »Präsident Kennedy ist
umgebracht worden«, antwortete sie und wischte sich die Tränen aus den Augen –
und setzte auf meinen fragenden Blick hinzu: »Ach, Mathias, die Welt ist
schlimm.«
Wohl weil ich meine Mutter
eigentlich nie hatte weinen sehen, haben sich mir dieses Ereignis und ihre
Worte tief eingeprägt. Und wie meiner Mutter ging es an diesem Tag vielen
Menschen: in Deutschland, in Amerika und überall auf der Welt. Ein Diplomat,
der in den Tagen danach in die Sowjetunion gereist war, berichtete, »dass die
Trauer hier fast noch größer ist als bei uns zu Hause«. Und wenn man von den in
diesem Buch beschriebenen Abrüstungs- und Friedensanstrengungen Kennedys und
Chruschtschows liest und die beeindruckende Rede, mit der der amerikanische
Präsident diesen Aufbruch in eine neue Zukunft verkündete, kann man nicht nur
die um Kennedy trauernden Menschen überall auf der Welt verstehen, es können
einen auch noch 50 Jahre später Trauer und Wehmut überkommen: über das Ende,
das diesem Aufbruch mit der Ermordung Kennedys gemacht wurde; über das Leid und
die Millionen Menschenleben, die die Fortsetzung der alten Politik der
Konfrontation kostete; über die mit heimtückischer Gewalt zerstörte Hoffnung
auf eine friedlichere, gerechtere Welt.
Wie sehr John F. Kennedy selbst
diese Hoffnung in sich trug und verkörperte und wie optimistisch und mutig er
daran gegangen war, sie umzusetzen, wurde mir erst bei den Recherchen für
dieses Buch klar – ebenso wie die Herausforderung, die dieser tatkräftige
Optimismus für die Beharrungskräfte der alten Ordnung bedeutete. Kennedy war
gewiss kein Umstürzler oder Revolutionär, doch schon seine moderaten Visionen
und Reformen waren zu viel für seine allein auf die Macht des Militärs und die
Maximierung der Profite setzenden Feinde. Diese saßen nicht in Moskau oder
Peking oder Havanna, sondern in Washington, Dallas und New
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