JFK -Staatsstreich in Amerika
bringen. Denn
um mit dem spanischen Philosophen George Santayana zu sprechen: »Wer sich an
die Vergangenheit nicht erinnern kann, ist dazu verurteilt, sie zu
wiederholen.« Doch wer sich nur an ein Trugbild der Vergangenheit erinnert, ist
dazu verurteilt, sich auch weiter betrügen zu lassen.
Verdeckte Operationen unter
Beteiligung staatlicher, militärischer und wirtschaftlicher Eliten haben nach
den Morden an den Kennedy-Brüdern und Martin Luther King nicht aufgehört.
Vielmehr ziehen sie sich nahezu durchgehend durch die folgenden Jahrzehnte: vom
erfundenen Zwischenfall im Golf von Tonkin, mit dem die Massenbombardements in
Vietnam legitimiert wurden, über die Watergate-Affäre, die zum Rücktritt
Präsident Nixons führte, und den Iran-Contra-Skandal mit seinem aus dem Weißen
Haus organisierten illegalen Großhandel von Waffen und Drogen bis hin zum 11.
September 2001 und den erfundenen Massenvernichtungswaffen des Irak. In allen
diesen Fällen wurde die Bevölkerung, der Souverän jeder parlamentarischen
Demokratie, mit Lug und Trug am Nasenring durch die Manege geschleift, und in
den wenigsten dieser Fälle wurden die Verantwortlichen in angemessener Weise
für ihre kriminellen Handlungen zur Rechenschaft gezogen.
Dass dies so war (und ist), dass
Staatsverbrechen gegen die Demokratie – sei es die Ermordung eines Präsidenten
wie in Dallas, sei es das Schlachten von Millionen wie in Vietnam und Irak, sei
es der Raub von Bürgerrechten und der Ausbau des Polizei- und Sicherheitsstaats
wie mit dem Patriot Act nach 9/11 – aus Sicht der Täter so erfolgreich
durchgezogen werden und sie danach ihre Hände stets in Unschuld waschen können
und niemand sie vor Gericht stellt, ist nur mit einer Agonie zu erklären: einem
Tiefschlaf, dem die Medien – die Wächter der Volkssouveränität, die
Kontrolleure der Parlamente, Regierungen und Behörden – verfallen sind. Die
Unwahrheiten, Widersprüche, Verdrehungen und Vertuschungen bei den Ermittlungen
zum Mord an John F. Kennedy waren vom ersten Tag an geradezu mit Händen zu
greifen, doch außer von einer Handvoll Journalisten, die in ihren
Lokalzeitungen darüber schreiben konnten, und außer von Autoren wie Joachim
Joesten oder Mark Lane, die umgehend als Verschwörungstheoretiker und
Staatsfeinde diffamiert wurden, erfuhr die Bevölkerung nichts davon. Die
sogenannte freie Presse, der Mainstream der großen Zeitungen, Radio- und
TV-Sender, hatte sich die Freiheit genommen, als Stenographen, Lautsprecher und
Wiederholungsschleife jener Institutionen zu dienen, deren Überwachung,
Kontrolle und kritisches Hinterfragen ihr eigentlich obliegt. Und sie tut es,
wie wir anhand des aktuellen AP-Features in den Leitmedien des Landes gesehen
haben, bis heute.
Was die Redakteure und Reporter
reitet, die solchen Un-Journalismus betreiben, lässt sich nicht allein mit
Opportunismus erklären und auch nicht nur mit der Tatsache, dass viele der
Leitungspositionen in den Medien mit Personen besetzt sind, die direkt oder
indirekt auf der Payroll der Geheimdienste stehen. Auch die immer stärker werdende
Konzentration von immer mehr Medien in immer weniger Großkonzernen, denen
weniger an Wahrheitsfindung und Aufklärung als an Infotainment und
Shareholdervalue gelegen ist, kann die Agonie des investigativen und
kontrollierenden Journalismus nicht erklären. Dass normalerweise mit kritischem
Verstand und wachem Bewusstsein ausgestattete Journalisten im Falle JFK die
Prinzipien ihres Berufsstandes reihenweise über Bord warfen, ist vielmehr nur
mit einem Verhalten erklärbar, das die Psychologie als »kognitive Dissonanz«
bezeichnet: als eine durch die Unvereinbarkeit verschiedener Wahrnehmungen
provozierte Spannung, die dadurch gelöst wird, dass die unpassenden
Informationen abgewehrt und verdrängt werden. Die Wahrnehmung, dass der als
Garant für Sicherheit, Ordnung und Demokratie empfundene Staat seinerseits in
Handlungen gegen diese Ordnung, in Verbrechen gegen die Demokratie verwickelt
ist, stellt eine solche Dissonanz her und führt zu einer unguten, unsicheren
Gefühlslage. Um diese zu reduzieren, werden die widersprüchlichen Anteile dann
durch selektive Wahrnehmung ausgeblendet und – wenn diese nicht gelingt, weil
offensichtliche Tatsachen nur schwer völlig verdrängt werden können – ihre
Träger und Exponenten einer Abwertung und Denunziation unterzogen. So erklären
Kriegsverbrecher, Rassisten oder Vergewaltiger ihre Opfer dann zu
»Untermenschen«,
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