JFK -Staatsstreich in Amerika
Kommunismus »ausliefere«. Der Sieg der Maoisten in China 1949 und
das Überschwappen linker Ideologien nach Korea, Laos und Vietnam schien diese
Theorie zu bestätigen und führte – neben der Aufrüstung mit
Interkontinentalraketen gegen den »Großfeind« Sowjetunion – in kleineren
Ländern zur Strategie der Eindämmung und des Rollbacks durch, je nachdem,
US-gesponserte Guerillatruppen oder Aufstandsbekämpfungshilfe. So wenig Zweifel
daran bestehen, dass Kennedy auch noch als Präsident diese Politik unterstützte
– etwa durch die Vergrößerung der Eingreiftruppen, der Special Forces –, so
deutlich hatte er allerdings auch schon zuvor seine eigenen Zweifel an einer
Fortsetzung der auf militärischem Eingreifen basierenden klassischen
Kolonialpolitik formuliert. Als Abgeordneter hatte ihn eine ausgedehnte
Weltreise Anfang der 1950er Jahre in zahlreiche Länder Asiens und Afrikas
geführt, in denen die alten Kolonialmächte gegen die nach Unabhängigkeit
strebenden Bevölkerungen standen. In einer seiner ersten Reden vor dem Senat
1954 warnte er eindringlich vor der Ansicht, dass der Konflikt Frankreichs mit
den revolutionären Truppen Ho Chi Minhs in Vietnam durch eine US-Unterstützung
zu gewinnen sei: »Auch mit noch so viel amerikanischer Militärunterstützung in
Indochina kann ein Feind nicht besiegt werden, der überall und gleichzeitig
nirgendwo ist, ein Feind, der die Sympathie und die verdeckte Unterstützung der
Bevölkerung hat.« Worte, die er später als Präsident in ähnlicher Form oft
wiederholte, wenn ihn bellizistische Hardliner zur militärischen Intervention
in Vietnam drängten. Nachdem er sich 1957 vor dem Senat für die Unabhängigkeit
Algeriens und ein Ende der von den USA unterstützten militärischen Aktivitäten
Frankreichs in Nordafrika ausgesprochen hatte, brach ein Sturm der Entrüstung
über Kennedy los. Nicht nur das Militär im Pentagon und die politischen Gegner
im Lager der Republikaner, sondern auch Freunde aus der Demokratischen Partei
und die Medien warfen dem Senator »außenpolitische Verantwortungslosigkeit«
vor. Ein Vorwurf, den er später als Präsident in ähnlicher Form ebenfalls noch
oft zu hören bekam und der auch nach seinem Tod – in der ideologischen Debatte
über die Stärken und Schwächen seiner Präsidentschaft – noch häufig zu hören
war. Erst in jüngster Zeit haben zwei Autoren – David Talbot und James Douglass 18 – auf Grundlage zahlreicher Interviews mit
Beteiligten und anhand erst neuerdings deklassifizierter Dokumente
herausgearbeitet, wie unberechtigt dieser Vorwurf außenpolitischer »Schwäche«
war, welche durchdachte Doppelstrategie hinter Kennedys Aktivitäten steckte und
wie viel Stärke und Standfestigkeit er bewies, seine Ziele durchzusetzen. Diese
Entwicklung lässt sich an den drei außenpolitischen Marksteinen seiner
Präsidentschaft sehr gut nachvollziehen: seiner Reaktion auf die von der CIA
inszenierte Invasion Kubas in der Bahía de Cochinos (Schweinebucht) im Frühjahr
1961, seinem Kompromiss mit dem sowjetischen Präsidenten Chruschtschow in der
sich anschließenden Krise durch die Stationierung russischer Nuklearraketen auf
Kuba 1962 und dem Abkommen über einen nuklearen Teststopp sowie seinem Befehl
zum Abzug des ersten Kontingents von US-Militärberatern aus Vietnam im Sommer
1963. Es waren dies die drei entscheidenden Schritte, die den Wandel John F.
Kennedys vom militanten Antikommunismus zu einer ausgleichenden Außenpolitik,
vom rigiden Imperialismus zur zivilen Friedensstiftung, von einer Eskalation zu
einem Ende des Kalten Kriegs bezeugen. Das waren vermeintlich utopische Ziele,
die aber nach seiner sicheren Wiederwahl 1964 durchaus erreichbar gewesen
wären. Doch die Feinde, die er sich auf dem Weg dorthin gemacht hatte, ließen
das nicht zu. John F. Kennedy musste sterben, nicht weil er ein »schwacher« und
»unverantwortlicher« Präsident war, sondern weil er begonnen hatte, Stärke und
Verantwortung zu zeigen – gegenüber seinem eigenen Kabinett, gegenüber seinen
Joint Chiefs of Staff und gegenüber seinen Geheimdiensten.
Die
Schweinebucht – 1961
Dass der hauchdünne Vorsprung, mit
dem John F. Kennedy den favorisierten Vizepräsidenten Eisenhowers, Richard
Nixon, bei der Präsidentschaftswahl im November 1960 geschlagen hatte, durch
den von Vater Joe über seine Unterweltkontakte arrangierten Stimmenkauf
zustande kam, ist von vielen Autoren wie zuletzt von Seymour Hersh ebenso
akribisch
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