JFK -Staatsstreich in Amerika
Amerikaner heute, wenn sie einen ihrer
Staatsführer wiederbeleben könnten, mit großer Mehrheit für JFK entscheiden
würden, hat nicht nur zu tun mit dem royalen Glanz, den er mit seiner schönen
Frau im Weißen Haus dem Volk bescherte. Es ist allen Klatschgeschichten über
die »dunkle Seite von Camelot« zum Trotz ein Ergebnis seiner Politik. Diese war
bei seinem Antritt als Abgeordneter und danach als Senator naturgemäß und
klassisch vom Kalten Krieg und einem rigiden Antikommunismus geprägt, doch
schon damals unterschied sich Kennedy in deutlichen Nuancen von der großen
Mehrheit seiner republikanischen und demokratischen Kollegen.
Als Kleinkind, Schüler und
Collegestudent war John F. Kennedy häufig so schwer erkrankt, dass seine Eltern
mehrfach einen Priester kommen ließen, um ihm die Letzte Ölung – das
Sterbesakrament der katholischen Kirche – zu verabreichen. Auch in seinem
späteren Leben suchten ihn zahlreiche Krankheiten heim, vermutlich bedingt
durch den erst sehr spät diagnostizierten Morbus Addison , eine
Insuffizienz der Nebennierenrinde, die dauerhaft mit Cortison behandelt werden
muss. Anders als sein älterer Bruder Joe Kennedy jr. war John dem Zweiten
Weltkrieg zwar lebend, aber nur knapp und mit einer schweren Rückenverletzung
entkommen, die ihn bis an sein Lebensende schmerzte und häufig in ein Korsett
zwang. »Mindestens die Hälfte der Tage, die er auf der Erde verbrachte, waren
Tage mit starken physischen Schmerzen«, schrieb Robert F. Kennedy nach dem Tod
seines Bruders, »doch während dieser ganzen Zeit hörte ich ihn niemals klagen.« 16 Einige der Biographen des Präsidenten haben
dieser ungünstigen Gesundheitskondition seinen steten Hang zu sexuellen
Abenteuern zugeschrieben und ihm eine Haltung attestiert, jeden schmerzfreien
Tag so zu genießen, als ob es der letzte sei. Auch wenn das zutreffen könnte,
scheinen hier, in der häufig erlebten Krankheit und Todesnähe, noch weitere und
entscheidendere Elemente für den Charakter Kennedys zu liegen, nämlich für
seinen Wandel vom klassischen kalten Krieger zu einem Präsidenten, der in den
letzten zwei Jahren seines Lebens rastlos daran arbeitete, diesen Krieg zu
beenden.
Wie dieser Wandel zustande kam, dass
er erst möglich wurde, nachdem der übermächtige Vater Joe nach einem
Schlaganfall Ende 1961 als heimlicher Leiter des »Küchenkabinetts« Kennedys
ausfiel und welche Rolle dabei einmal mehr eine schöne Frau spielte, ist eine
Geschichte, deren Elemente bis vor wenigen Jahren noch verborgen waren und die
deshalb in den vielen Büchern über John F. Kennedy auch noch nicht auftaucht.
Aufgrund neuerer Forschungen verschiedener Autoren und Veröffentlichungen von
Dokumenten aber lässt sie sich rekonstruieren – und eröffnet nicht nur
erstaunliche Ausblicke auf das Leben des 35. Präsidenten der USA, sondern auch
ebensolche Einblicke, warum er nach kaum 1 000 Tagen im Amt ermordet wurde.
Der
Wandel eines kalten Kriegers
Dass Why England slept ,
seine erste Buchveröffentlichung aus dem Jahr 1940, die Ausarbeitung seiner
Abschlussarbeit an der Harvard-Universität, die zu zaghaften
Rüstungsanstrengungen Englands gegenüber Nazi-Deutschland monierte, ließ
keineswegs schon auf einen solchen Wandel schließen. Im Gegenteil übertrug der
junge John. F. Kennedy seine frühen Erkenntnisse nach seinem Einstieg in die
Politik nahtlos auf die Strategien der USA gegenüber der Sowjetunion und
plädierte in den 50er Jahren als Senator für eine Aufrüstung der
US-Streitkräfte. Noch im Wahlkampf um die Präsidentschaft 1960 argumentierte er
mit einer »Raketenlücke« gegenüber der Sowjetunion, die durch eigene
Rüstungsanstrengungen ausgeglichen werden müsse. Inwieweit er zu diesem
Zeitpunkt schon wusste, dass es sich bei dieser »Lücke« um einen Mythos
handelte, der vom militärischindustriellen Komplex und der Armee aus
Budgetgründen geschürt wurde, ist unklar. Als er nach seinem Amtsantritt im
Februar 1961 von seinem wissenschaftlichen Berater Jerome Wiesner hörte, dass
es gar keine Raketenlücke gab und sie bloß behauptet worden war, reagierte er
jedenfalls »eher verärgert als erleichtert«. 17 Ähnlich ambivalent stand Kennedy einem weiteren mythischen Topos des Kalten
Kriegs gegenüber: der von Eisenhower und seinem Außenminister John Foster
Dulles propagierten sogenannten Dominotheorie, nach der jedes von einer
kommunistischen Regierung kontrollierte Land in der Folge auch die benachbarten
Länder dem
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