JFK -Staatsstreich in Amerika
Generälen dafür eine
Schuld zuzuweisen, nahm er die Verantwortung auf sich. Privat jedoch war ihm
völlig klar, dass CIA und Militärs versucht hatten, ihn über den Tisch zu
ziehen, und er hielt mit seiner Wut darüber nicht hinter dem Berg: »Ich muss
etwas gegen diese CIA-Bastards unternehmen«, schäumte er und kündigte seinem
Berater Arthur Schlesinger an, dass er sich niemals mehr »von professionellen
Militär-Ratgebern einschüchtern« lassen werde: »Diesen Hurensöhnen, die da mit
ihrem Obstsalat saßen und nickten und sagten, dass es funktionieren würde.«
Eine Woche nach dem Fiasko sagte er seinem Kriegskameraden Paul B. Fay, den er
zum stellvertretenden Marinestaatssekretär berufen hatte: »Wir werden uns nicht
in unverantwortliche Aktionen hineinstürzen, nur weil eine fanatische
Randgruppe in diesem Land den sogenannten Nationalstolz über die nationale
Vernunft stellt.« In seinem Zorn kündigte Kennedy seinen Freunden an, »die CIA
in tausend Stücke zu schlagen und in die Winde zu zerstreuen«. 21 Allerdings setzte er, auch wenn er nach einer
gewissen Karenzzeit die beiden Hauptverantwortlichen für das
Schweinebucht-Desaster – Allen Dulles und Richard Bissell – feuerte, diese
Ankündigung nicht in die Tat um. Das Zerwürfnis zwischen dem Präsidenten auf
der einen Seite und der CIA- und Militärspitze auf der anderen war jedoch seit
diesem April 1961 tief und beruhte auf Gegenseitigkeit. Während letztere an der
Spitze der Kommandokette einen Schwächling wähnten, der in Zeiten der Not
versagt und die Nation gegenüber dem »Feind« blamiert hatte, war Kennedy
überzeugt, von unredlichen und kriegslüsternen Offiziellen umgeben zu sein,
denen er nicht mehr vertrauen konnte. Nach seinem äußert knappen Wahlsieg hatte
er die von Eisenhower installierten Spitzen der Geheimdienste, des Militärs und
anderer Entscheidungspositionen im Amt belassen. Doch jetzt entschloss er sich
zu einem Revirement dieses Personals, um seine Politik in die eigenen Hände zu
nehmen – was den Graben zum politischen Establishment im Pentagon und im State
Department weiter vertiefte. Statt der altgedienten Bürokraten, knarzigen
kalten Krieger und lamettabehängten Generäle berief Kennedy loyale und
fortschrittliche Talente in seine Beraterstäbe und hohen Ämter. So machte er
etwa den gerade 33-jährigen Redenschreiber Ted Sorensen zu seinem
außenpolitischen Berater und dessen noch drei Jahre jüngeren Assistenten Dick
Goodwin zum Chefberater für Lateinamerika und Kuba, dem er die Direktiven für
die Reform seiner Politik im südlichen Teilkontinent in einer Weise mitgab, die
durchaus – wie David Talbot schreibt– »auch von Castro oder Che Guevara« hätte
stammen können:
»Wir können nicht jeden großmäuligen
Diktator umarmen, der uns erzählt, er sei antikommunistisch, und der seiner
eigenen Bevölkerung im Nacken sitzt. Und die Regierung der Vereinigten Staaten
ist auch nicht der Repräsentant von Privatunternehmen. Wissen Sie, dass in
Chile die amerikanischen Kupferunternehmen 80 Prozent des Außenhandels
kontrollieren? Dafür stehen wir nicht. Und es gibt keinen Grund, warum sie
dafür stehen müssen. Alles, was die Bevölkerung dort will, ist eine Chance für
ein anständiges Leben – und wir haben sie denken lassen, dass wir auf der Seite
von denen stehen, die sie unterdrücken. Dort unten ist eine Revolution im
Gange, und ich will auf der richtigen Seite stehen. Verdammt, wir stehen auf
der richtigen Seite. Aber wir müssen sie wissen lassen, dass die Dinge sich
verändert haben.« 22
Mit außenpolitischen Ansichten wie
dieser lief John F. Kennedy so ziemlich allem zuwider, was dem
militärisch-industriellen Komplex und den kalten Kriegern der CIA, im Pentagon
und im Nationalen Sicherheitsrat hoch und heilig war – und entsprechend
quittierten sie die von ihm und seinen Beratern im Sommer 1961 geschmiedete
Allianz für den Fortschritt, ein Abkommen zur ökonomischen Zusammenarbeit
zwischen Nord- und Südamerika, mit dem diese Wende in der Außenpolitik der USA
dokumentiert werden sollte. Obwohl Kennedy weiterhin den Aufrüstungsforderungen
der Militärs nachkam und es an Anti-Castro-Rhetorik nicht fehlen ließen,
bestand für die Hardliner in Washington kaum noch Zweifel daran, dass der neue
Mann im Weißen Haus einen grundsätzlichen Politikwechsel anstrebte. Und dass er
bereit war, dafür mit harten Bandagen zu kämpfen und Verantwortung zu
übernehmen. »Dieser kleine Kennedy«, platzte
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