JFK -Staatsstreich in Amerika
ihren Universitäten zuzulassen, hatte ihn im
Süden des Landes zum Staatsfeind Nr. 1 gemacht. Angeführt wurden die
Demonstrationen von dem rechtsradikalen General Edwin Walker, den Kennedy entlassen
hatte, weil er rassistisches Propagandamaterial an seine Truppe verteilt hatte
– und dem wir im Folgenden noch begegnen werden. Auf Flugblättern hetzten die
suprematistischen Weißen in Mississippi gegen den Präsidenten: »Kennedy ist
dabei, Amerika zu zerstören, denn er ist ein kranker, kranker Kommunist.« Und
sie protestierten gegen dessen »Bildungspolitik mit dem Bajonett«.
Diese Haltung war nicht nur in den
abgelegenen Südstaaten verbreitet, sondern auch im Zentrum der Macht in
Washington, wie Abraham Bolden schnell erfahren sollte. Der Präsident
behandelte seine Leibwache nicht wie Möbelstücke, die man einfach ignoriert,
sondern ging freundlich mit ihnen um – auch und besonders mit Abe Bolden, den
er öfter ansprach und sich dabei nach seinem Befinden oder seiner Familie
erkundigte. Er stellte ihn allen seinen Kabinettsmitgliedern vor: »Das ist Mr.
Bolden. Ich habe ihn eingestellt, um die Geschichte zu verändern und für seine
Leute die Tür zu öffnen.« 11 Ganz anders als Kennedy aber verhielten sich seine Kollegen, mit denen Bolden
einmal zusammensaß, als sein direkter Vorgesetzter Harvey Henderson ihn
ansprach: »Ich sage dir jetzt etwas, und ich will nicht, dass du es jemals
vergisst. Du bist ein Nigger. Du bist als Nigger geboren und wirst als Nigger
sterben. Du wirst nie mehr sein als ein Nigger. Also verhalte dich wie einer.« 12 Ansprachen wie diese waren nun wirklich nicht
nach Boldens Geschmack, und als auch seine Beschwerden über die Laxheit und die
Trinkerei der Agenten nicht gehört wurden – sowie über die Sprüche, dass sie im
Falle von Schüssen auf den Präsidenten ihren Körper nicht als Schutzschild
einsetzen würden, wie es die Dienstvorschrift verlangte –, bat er nach drei
Monaten um seine Rückversetzung nach Chicago.
Im dortigen Secret-Service-Büro traf
am 30. Oktober 1963 ein Anruf des FBI ein, der Bolden und seine Kollegen
alarmierte: Bei dem für den 2. November in Chicago avisierten Besuch Präsident
Kennedys sei ein Anschlag auf ihn geplant. Der Informant des FBI teilte dem
Büro dazu weitere Details mit: Ein vierköpfiges Team von Scharfschützen
vermutlich kubanischer Abstammung wolle vom Dach eines Hochhauses auf Kennedy
feuern, wenn sein vom Flughafen zum Stadion fahrender Autokorso in einer
Haarnadelkurve in die Jackson Street einbiegen würde. Zwei weitere Anrufe bei
der Chicagoer Polizei schienen diese Warnungen zu bestätigen. Ein
Pensionsbesitzer meldete, dass er ein Zimmer an vier Männer vermietet hätte, in
dem Gewehre mit Zielfernrohren und ein Plan mit der Strecke des Autokorsos
Kennedys liegen würden. Und ein Informant, der sich am Telefon nur mit »Lee«
vorstellte, berichtete, dass ein gewisser Thomas Arthur Vallee, der mehrere
Waffen besitze, gedroht habe, den Präsidenten bei seinem Besuch in Chicago zu
erschießen. Vallee wurde schnell identifiziert, als ehemaliges Mitglied der
Marines, Einzelgänger, Waffensammler und Sympathisant der rechtsradikalen John
Birch Society. Er hatte bei einer Explosion im Koreakrieg ein Hirntrauma
erlitten, war 1952 mit der Diagnose einer paranoiden Schizophrenie ehrenhaft
entlassen, 1955 aber wieder in den Dienst aufgenommen und nach nur sechs
Monaten erneut entlassen worden. Vallees Wohnung und sein Auto mit dem New
Yorker Kennzeichen 31-10RF wurden umgehend unter Beobachtung gestellt. Auch die
Pension der verdächtigen möglichen Scharfschützen wurde observiert, wobei sich
das Observationsteam aber so dilettantisch verhielt, dass es auffiel und zwei
der Männer in einem Auto flüchten konnten; die anderen beiden wurden verhaftet,
wobei bei ihnen aber keine Waffen gefunden wurden, weshalb sie nach einem
nächtlichen Verhör wieder freigelassen wurden. Weil der Chef des Secret
Service, James Rowley, die merkwürdige Anweisung gegeben hatte, dass über diese
Fahndung und Ermittlung keine schriftlichen Aufzeichnungen angefertigt werden
sollten, liegen weder die Namen der Verhafteten noch die Protokolle dieser
Verhöre vor.
Auch die Überwachung und Festnahme
Thomas Vallees wurde erst Mitte der 70er Jahre bekannt, als der
Investigativreporter Edwin Black dessen Geschichte recherchiert hatte und sie
vom HSCA in Zusammenhang mit der Ermordung Kennedys untersucht wurde. Vallee
war einem Mitglied der Chicagoer
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