JFK -Staatsstreich in Amerika
Was das FBI den Kommissionären verborgen hielt, war die Tatsache, dass
dort außer Banister auch das CIA-finanzierte Cuban Revolutinary Council
residiert hatte. Und als 15 Jahre später dem HSCA, dem parlamentarischen
Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses, diese Merkwürdigkeiten doch
irgendwie auffielen – zumal sich außer Garrisons damaligen Zeugen in der
Zwischenzeit noch einige andere an Oswalds Präsenz unter dieser Adresse
erinnert hatten –, wurde dieser Strang nicht weiter ermittelt. Der Ausschuss
stellte zwar abschließend fest, dass eine Verschwörung zur Ermordung John F.
Kennedys »wahrscheinlich« sei, und verabschiedete sich damit von der These des
Einzeltäters Lee Harvey Oswald, doch wer da nun genau konspiriert hat, um den
Präsidenten zu ermorden, wurde vom HSCA nicht weiter untersucht.
Der Leiter des HSCA, Robert Blakey,
der 1981 (zusammen mit Richard Billings) das Buch The Plot to Kill the
President veröffentlichte, zeigte dann eindeutig nur in Richtung Mafia,
genauer auf Carlos Marcello und Santos Trafficante, die Paten von New Orleans
und Florida. Oswald, so Blakey, habe zwar geschossen und den Präsidenten
ermordet, doch es habe auch noch einen weiteren, unbekannten Schützen gegeben –
und organisiert worden sei das Ganze von den Mafiabossen, die sich gegen das
strikte Vorgehen Robert F. Kennedys gegen das organisierte Verbrechen zur Wehr
setzten.
Mit dieser »The mob did it«-Theorie
(»Die Mafia war’s«) kam nach der offiziellen Einzeltäterversion nun eine
zweite, durchaus autoritative, von der zweijährigen Recherche des HSCA gestützte
Version des Präsidentenmords auf den Markt. Diese wurde angesichts des sich
immer weiter verbreitenden Unglaubens an den Warren-Report zwar in der
Öffentlichkeit interessiert aufgenommen, war aber nicht mehr als ein »limited
hangout«: ein eingeschränktes Zugeben von bisher verschwiegenen Zusammenhängen,
die ohnehin nicht mehr zu leugnen sind und deren Veröffentlichung von daher nur
begrenzten Schaden anrichtet. Die Begrenzungen, an deren Kette sich der HSCA
selbst gelegt hatte, machte einer seiner rastlosen Ermittler, Gaeton Fonzi,
sehr deutlich, als er in The Last Investigation 1993 auf den großen
blinden Fleck dieser Ermittlung hinwies: die CIA.
Der ehemalige Staatsanwalt und
Rechtsprofessor Robert Blakey wies diese Vorwürfe brüsk zurück, bis er 2003 aus
allen Wolken fiel, als der Name des CIA-Agenten George Joannides bekannt wurde,
der die Anti-Castro-Gruppe gesteuert hatte, die sich mit Oswald beim
Flugblattverteilen anlegte, ihn dann zu einer Radiodebatte einlud und nach den
Schüssen auf Kennedy als Erste die Legende seines »Kommunismus« in die Welt
setzte. Denn ausgerechnet dieser George Joannides war dem HSCA als
Liaisonoffizier der CIA zugeteilt worden und zuständig für alles, was der
Ausschuss an Auskünften und Unterlagen von der Agency erhielt – und der so
dafür sorgte, dass nicht nur die Wahrheit über ihre eigene Rolle in New Orleans
im Dunkeln blieb. Seinen blauäugigen Glauben an die CIA hat Professor Blakey
zwar verloren, als Joannides’ Name 2003 bekannt wurde, an dem Todesschützen
Oswald aber hält er weiter fest: »Aus der Joannides-Geschichte lässt sich
wirklich nicht schließen, dass sie (die CIA) es getan haben. Vielleicht hatte
er etwas zu verbergen, was keine Beihilfe zu einem Plot, sondern nur unangenehm
ist. Das unterminiert aber mit Sicherheit alles, was sie zu JFKs Ermordung
gesagt haben.« 6
Eben deshalb klagt der ehemalige Washington-Post -Reporter
Jeff Morley seit Jahren und bis heute vor Gericht, um die Freigabe der Akten
über den 1990 gestorbenen George Joannides zu erzwingen, was die CIA mit dem
Hinweis verweigert, dass davon keine »vitalen öffentlichen Entscheidungen«
abhängen würden. 7
Die fortgesetzte Blockade bei der
Herausgabe auch 50 Jahre alter Akten legt den Verdacht nahe, dass sie den Blick
auf jene verschwiegenen Bereiche lenken könnten, die der ehemalige Diplomat und
emeritierte Berkeley-Professor Peter Dale Scott als »deep politics« beschrieben
hat: die im Untergrund existierende Liaison von Geheimdiensten, organisiertem
Verbrechen, Politik und Geschäftsunternehmen. 8
Wie in den Eingangskapiteln
beschrieben, wurde aufgrund der Nuklearbewaffnung nach 1947 im Kalten Krieg
eine neue Art der Kriegsführung nötig: verdeckte Operationen. Und diese »peace
time operations«, wie Allen Dulles sie nannte, führten zu engen Kooperationen
mit der organisierten
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