JFK -Staatsstreich in Amerika
Attentat zwar durchaus die
Möglichkeit einer Verschwörung zum Mord des Präsidenten erwähnt, aber die
Spekulationen darüber wurden in der Regel als »assassination theories« abgetan.
Doch im Vorfeld der HSCA-Untersuchung sah sich die CIA im Januar 1967 bemüßigt,
ein Memo unter der Überschrift »Countering the Critiscism of the Warren Report«
an alle ihre Stationen zu schicken und ihnen den Begriff »conspiracy theories«
als Waffe gegen jede Art von Kritik an dem Ergebnis der Warren-Kommission zu
empfehlen. Diese Direktive mit einschlägigen Handlungsanweisungen und
Argumentationshilfen legte den Grundstein für die Umdeutung des ursprünglich
neutralen Begriffs »Verschwörungstheorie« zu einer negativ konnotierten,
Unbehagen und Angst auslösenden Vokabel, die seitdem als Disziplinierungs- und
Kontrollinstrument im öffentlichen Diskurs fungiert. Zwar kann niemand
bestreiten, dass es reale Verschwörungen gibt. Geheime Absprachen zwischen A
und B hinter dem Rücken und zum Nachteil von C sind im politischen und im
Wirtschafts- ebenso wie im Liebesleben geradezu selbstverständlicher Alltag.
Nun aber wird die selbstverständliche, vollkommen normale Bildung von
Hypothesen über mögliche Verschwörungen als unnatürliche und gefährliche
Denkungsart von Staatsverächtern, Extremisten und Kommunisten definiert und
werden legitime Fragen zu offiziellen Verlautbarungen zu Gedankenverbrechen
erklärt, vor denen das öffentliche Bewusstsein geschützt werden muss.
Um »den Behauptungen von
Verschwörungstheoretikern entgegenzutreten und sie zu diskreditieren« und ihre
Verbreitung zu verhindern, empfahl das CIA-Memorandum seinen Mitarbeitern,
»freundliche Kontakte in der Elite (vor allem zu Politikern und Redakteuren)«
zu pflegen und sie an die »Integrität der Warren-Kommission« zu erinnern. »Die
Vorwürfe der Kritiker sind ohne seriöse Begründung«, heißt es in dem Papier,
und »weitere spekulative Diskussionen spielen nur in die Hände der
(kommunistischen) Opposition.« Um alle Kritik zurückzuweisen, empfiehlt das
Hauptquartier seinen Stationen, »Propagandamitarbeiter zu beschäftigen«, und
setzt hinzu, dass zu diesem Zweck »Buchbesprechungen und Hintergrundartikel
besonders hilfreich seien«, und erläutert im Folgenden, welche Punkte dort zu
setzen sind: dass keine neuen Beweise aufgetaucht seien, die die Kommission
nicht berücksichtigt hätte, dass die Kritiker nur bestimmte Punkte
überbewerteten und andere außer Acht ließen, dass große Verschwörungen nicht
geheim zu halten seien und dass Kritiker oft zu »intellektueller
Überheblichkeit« neigten und dazu, sich in ihre eigenen Theorien zu verlieben. 26
Wenn Ihnen diese Argumente bekannt
vorkommen, ist das kein Wunder. Sie waren und sind seitdem immer wieder dann zu
hören, wenn offizielle staatliche Verlautbarungen hinterfragt und kritisiert
werden. Da demokratische Regierungen nicht an Verbrechen beteiligt sind, weil
sie per Selbstdeklaration daran nicht beteiligt sein können, muss jeder Hinweis
darauf als böswillige und unhaltbare Verschwörungstheorie gelten. Dieser
Diffamierungs- und Distanzierungsmechanismus ist, wie der
Politikwissenschaftler Lance DeHaven-Smith gezeigt hat 27 , bei »Staatsverbrechen gegen die Demokratie«
ein Standardreflex, der sich von den politischen Morden der 60er Jahre über den
Zwischenfall im Golf von Tonkin, mit dem das massive Bombardement in Vietnam
begründet wurde, bis hin zu den Anschlägen des 11. September 2001 zieht.
Die rasche Karriere des Worts
»Verschwörungstheorie« erklärt sich nicht zuletzt mit einer legendären
Investigativrecherche des Watergate-Reportes Carl Bernstein. Der ermittelte
1977, dass die CIA damals über 400 Kontakte und inoffizielle Mitarbeiter in
Schlüsselressorts der Medien verfügte. 28 Wer das Märchen von magischen Kugel nicht glauben wollte, galt fortan als
»Verschwörungstheoretiker« und war damit so etwas wie ein »Staatsfeind«, weil
er die aus Staatsräson verkündete Wahrheit und die Reputation der Regierung
anzweifelte. »Verschwörungstheorie« avancierte so zu einem Gedankenverbrechen,
das man nur noch um den Preis der eigenen Reputation öffentlich aussprechen
konnte. Strukturell bewegte sich diese Art von Diskurskontrolle auf dem Niveau
des (un-)christlichen Mittealters, das jeden Zweifel an ex cathedra verkündeten
Dogmen mit Exkommunikation oder gar dem Tod bestrafte. Und tatsächlich sind
Wunder wie die Jungfrauengeburt von Zauberkugeln ja
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