JFK -Staatsstreich in Amerika
Oswald verbringt seine
Pausen in der Reily-Kaffeefabrik im Warteraum eines Parkhauses nebenan. Für
einen potentiellen Attentäter oder für einen echten Kommunisten nicht eben ein
komfortabler Aufenthaltsraum, denn Parkhaus und Warteraum werden vor allem von
den Mitarbeitern eines gegenüberliegenden Bürohauses frequentiert, in den die
Stationen von CIA und FBI in New Orleans untergebracht sind. Kein Problem
stellt dieses »Bullenrevier« indessen für jemanden dar, der wie Oswald als
verdeckter Agent an einem Referenzbeweis arbeitet, dass ein sowjetischer
Überläufer und Pro-Castro-Aktivist mit ein Paar Dollars völlig problemlos
Waffen unter falschem Namen einkaufen kann. Dass er ein Bauer in einem ganz
anderen Spiel war und als Sündenbock aufgebaut wurde, ahnte er wohl erst, als
es schon zu spät war.
Mexiko
Die Verteidiger der magischen
Kugel leugnen konsequent die Kontakte Oswalds mit rechtsradikalen Agenten wie
Guy Banister und David Ferrie und bemühen zu diesem Zweck gern das Argument,
dass die Adresse 544 Camp Street auf Oswalds KubaFlyern ja gar nicht auf
Banisters Detektei verweisen würde, da diese über den zweiten Eingang des
Eckhauses in der Lafayette Street erreichbar war. In dieser Perspektive machen
die marktschreierischen Kommunismus-Aktivitäten und die Versandbestellungen
Oswalds überhaupt keinen Sinn. Auf der Folie der zur selben Zeit seitens des
US-Senats und des FBI laufenden Operationen indessen passen sie exakt auf die
To-do-Liste eines inoffiziellen Mitarbeiters und verdeckten Agenten.
Welchen Zweck aber die mysteriöse
Mexiko-Reise gehabt haben soll, die Oswald Ende September unternahm – und die
mit gefälschten Tonbändern und Fotos in Phase eins der Vertuschung gegen ihn
verwendet wurde –, war für die Kennedy-Forschung jahrzehntelang unklar. Wie die
von der CIA erfundenen Geschichten über seine Beantragung von Visa in der
sowjetischen und der kubanischen Botschaft dazu dienten, mit einer
vermeintlichen kommunistischen Großverschwörung die Gefahr eines Nuklearkriegs
heraufzubeschwören und eine ebenso honorige wie willfährige Kommission
zusammenzutrommeln, die auf diesem Hintergrund die Phase zwei der Vertuschung,
den irren Einzeltäter, akzeptierte und verifizierte, haben wir oben bereits
gesehen. Dass Oswald sein Straßentheater in dem Glauben veranstaltete, als braver
Ex-Marine und guter Undercover-Agent seinem Staat zu dienen, leuchtet ebenfalls
ein. Doch zu welchem Zweck, der ja auch ihm plausibel gemacht werden musste,
fand diese Busreise nach Mexiko City statt?
Von April 1963 bis zu seinem Tod
hatte sich Oswald auf eine Liebschaft mit Judyth Vary Baker eingelassen. Als
Mrs. Baker vier Jahrzehnte später erstmals ihr Schweigen brach und unter
anderem auch diese Frage beantwortete, war der Aufschrei unter JFK-Forschern
ebenso groß wie das Interesse des Fernsehens, ihre Geschichte zu dokumentieren.
Doch die Dokumentation, den die angesehene Redaktion von 60 Minutes dazu
mit viel Aufwand gedreht hatte, wurde dann als Folge der Serie The Men Who
Killed Kennedy nur einmal gesendet und verschwand alsbald aus dem History
Channel. 30 Und die
Forschergemeinde, allen voran die Glaubensbrüder der magischen Kugel, rief nach
handfesten Beweisen für Mrs. Bakers Geschichte.
Als 19-Jährige hatte Judyth einen
Forschungswettbewerb ihrer Highschool mit Experimenten über das Tumorwachstum
bei Mäusen gewonnen und war mit einem Praktikum an einem der bekanntesten
Krebsforschungszentren, der Klinik von Dr. Alton Ochsner in New Orleans,
belohnt worden. Ochsner, dem renommierten Forscher, Leibarzt einiger mittelamerikanischer
Diktatoren und rabiaten Antikommunisten, sind wir schon im Zusammenhang mit der
Propagandaeinrichtung INCA begegnet, die den »Kommunisten« Oswald im Radio in
Szene setzte und nach dem Attentat auf Kennedy eine Schallplatte davon herausbrachte.
Als Judyth Baker ihr Praktikum antreten wollte, war Ochsner gerade verreist,
und während sie noch wartete, lernte sie zufällig Lee Harvey Oswald lernen, der
ebenfalls ein – wenn auch klandestiner – Praktikant für den inoffiziellen Arm
der Forschungen Ochsners war. Denn außer seiner Arbeit in der
Reily-Kaffeefabrik hat er noch einen Nebenjob, der genau in das Fachgebiet der
juvenilen Forscherin Judyth fiel: Er versorgte für einen Freund Mäuse, die als
Versuchstiere in der Krebsforschung eingesetzt wurden. Dieser Freund, der in
seiner Wohnung Hunderte krebsinfizierte Mäuse in Käfigen hielt, wurde Judyth
als
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