Jim Knopf und die Wilde 13
wir
zusammen getaucht, und nun — ah, da kommt er schon nach oben! Schaut nur, ist
er nicht wunderbar elegant?“
An der Wasseroberfläche erschien ein
Wesen von höchst sonderbarem Aussehen. Auf den ersten Blick konnte man es für
eine große Wasserschildkröte halten. Sein Panzer war türkisgrün und mit
goldenen Mustern bedeckt. Die Haut seiner Glieder war lila, und zwischen den
Fingern und Zehen wuchsen Schwimmhäute. Sein Gesicht war durchaus menschlich
und sogar sehr wohlgestaltet. Haare hatte der Schildnöck zwar keine, dafür auf
der Oberlippe einen langen dünnen Schnurrbart. Das Schönste an ihm waren aber
seine Augen, die durch eine große goldene Brille blickten. Es waren Augen von
wunderbarem Veilchenblau, und ihr Ausdruck war ruhig und ernst, sogar ein wenig
traurig.
„Seid mir gegrüßt!“ sagte der
Schildnöck langsam und mit einem eigenartigen singenden Tonfall. „Viel habe ich
schon von euch vernommen und schätze mich glücklich, euch kennenzulernen.“
„Ganz meinerseits“, antwortete Lukas,
„schön, daß Sie endlich da sind, Herr Uschaurischuum.“
„Bitte“, fragte Jim, „haben Sie die
Aufgabe gelöst, die der Meerkönig Lormoral Ihnen aufgegeben hat, und können Sie
Prinzessin Sursulapitschi jetzt heiraten?“
Der Schildnöck lächelte traurig.
„Es ist freundlich von euch, danach zu
fragen“, erwiderte er in seiner musikalischen Art, „aber leider ist es mir
nicht gelungen. Ich habe kein Feuerwesen gefunden, das unsereinem nicht
feindlich gesonnen war. Ich habe schon fast die Hoffnung verloren, das ,Kristall
der Ewigkeit’ zu bereiten.“
Die kleine Meerprinzessin begann sofort
zu schluchzen, der Schildnöck legte seinen Arm um ihre Schulter und sagte:
„Weine nicht, Liebste. Ich werde
weitersuchen bis ans Ende meiner Tage.“
„Wie ist das nun eigentlich, kleine
Dame“, erkundigte sich Lukas, „haben Sie vielleicht einen Wärter für die
Magnetklippen gefunden?“
Der Schildnöck antwortete, indem er der
weinenden Meerprinzessin tröstend über die Haare strich, mit wohllautender
Stimme: „Meine Liebste hat mir von den Schwierigkeiten berichtet, die ihr mit
den Magnetischen Klippen hattet. Ich selbst kenne die Anlage, denn ich war vor
tausend Jahren einmal dort unten. Damals war alles in bester Ordnung. Jedoch
konnte ich mich nur für sehr kurze Zeit in jener Tiefe aufhalten, denn die
Temperatur ist für unseresgleichen nicht zu ertragen. Aber ich werde gerne noch
einmal hinuntersteigen und die Magnetkraft erst dann anstellen, wenn ihr mit
eurem seltsamen Fahrzeug weit genug entfernt seid. Aber als Wärter kann ich
nicht auf den Klippen bleiben. Wegen der Hitze in jener Tiefe, die mich bald
töten würde, und auch wegen der Aufgabe, die mir der Meerkönig gestellt hat,
und die mich zwingt, suchend die Gewässer der Erde zu durchstreifen.“
„Hm“, schmunzelte Lukas, „da haben wir
alle doch wahrhaftig Glück gehabt, daß wir unseren Freund Nepomuk mitgebracht
haben.“
„Nepomuk?“ fragte die kleine
Meerprinzessin und hörte auf zu weinen. „Wer ist Nepomuk?“
„Ruf ihn mal rauf, Jim“, sagte Lukas
verheißungsvoll.
Der Junge öffnete den Deckel des
Tenders und rief durch das Kohlennachschubloch ins Innere der Kajüte hinunter:
„Nepomuk! He, Nepomuk! Komm herauf!“
„Gleich!“ war die quiekende Stimme des
Halbdrachen zu vernehmen. Und dann krabbelte er ächzend und schnaubend durch
das Loch und guckte über den Tenderrand. Als er die beiden Meerleute erblickte,
brach er in grunzendes Gelächter aus.
„Hö, hö, hö, hö“, kicherte er, „was
sind denn das für komische Puddingwesen? Ganz quabblige Leute!“
Nepomuk wußte eben immer noch nicht,
was sich gehört.
Die beiden Meerleute starrten den
Halbdrachen mit entsetzten Augen an. Sursulapitschi war vor Schreck ganz hellgrün
geworden. „W-w-was ist denn das?“ stammelte sie.
„Ich bin ein Drache, puh!“ kreischte
der Halbdrache und ließ zwei schwefelgelbe Stichflämmchen aus seinen
Nasenlöchern steigen. Im selben Augenblick schäumte das Wasser auf, und die
beiden Meerleute waren verschwunden.
„Habt ihr gesehen?“ grunzte Nepomuk
begeistert. „Sie sind aus lauter Angst vor mir untergegangen! Schade, daß sie
ertrunken sind. Eigentlich waren es ganz nette Leute, wo sie doch so viel
Respekt vor mir gehabt haben.“
„Nepomuk“, sagte Lukas langsam, „so
geht das nicht weiter mit dir. Du hast uns dein Ehrenwort gegeben, daß du alle
drachenhaften Ungezogenheiten lassen
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