Jim Knopf und die Wilde 13
erspäht und sich darin versteckt hatte. Als Nepomuk mit seinem
Bericht zu Ende war, schluchzte er noch einmal auf, und zwei dicke Tränen
rollten über seine gelb und blau getüpfelten Backen.
„Wenn ihr mich nicht haben wollt“,
stammelte er, „dann weiß ich nicht mehr, wo ich hin soll. In der Wüste kann ich
doch auch nicht bleiben — ganz allein und ohne was zu essen.“
„Das ist richtig“, murmelte Lukas vor
sich hin.
Dann schwiegen alle und blickten
bedrückt vor sich nieder. Nach einer Weile meinte Jim tröstlich:
„Du brauchst aber keine Angst haben,
Nepomuk. Du hast uns geholfen, jetzt helfen wir dir. Es wird uns bestimmt was
einfallen.“ Lukas nahm die Pfeife aus dem Mund, machte die Augen schmal und
blickte den Halbdrachen prüfend an.
„Ich wüßte vielleicht schon was“, sagte
er nachdenklich. „Fragt sich nur, ob Nepomuk für einen so verantwortungsvollen
Beruf der Richtige ist.“
„Meinst du“, fragte Jim gedämpft, „daß
er die Magnetischen Klippen...?“
„Man könnte es mit ihm versuchen“,
antwortete Lukas. „Warum soll er es schließlich nicht können? Mir scheint,
Nepomuk ist durch das schwere Schicksal, das er durchgemacht hat, einigermaßen
geläutert worden.“
„Ich bin ganz bestimmt sehr geläutert
worden“, quiekte Nepomuk ganz aufgeregt. „Um was handelt sich’s denn?“
„Um eine sehr ernste Aufgabe, mein
lieber Nepomuk“, erwiderte Lukas, „um eine Aufgabe, die wir nur einer durch und
durch zuverlässigen Person übertragen wollen.“ Und dann erklärte er dem Halbdrachen,
was es mit den Magnetischen Klippen auf sich hatte und warum ein Wärter
notwendig war, der je nach Bedarf die Riesenkraft an- oder abstellen sollte.
„Du siehst also“, schloß Lukas und
stieß dicke Rauchwolken aus, „daß es sich um einen sehr verantwortungsvollen
Beruf handelt. Du darfst niemals irgendwelche drachenhaften Ungezogenheiten und
Bosheiten begehen, darauf mußt du uns dem feierliches Ehrenwort geben. Wir
setzen großes Vertrauen in dich, Nepomuk.“ Der Halbdrache war während dieser
Worte ganz still und ernst geworden, aber seine kugeligen Augen begannen zu
glänzen. Er streckte zuerst Lukas und dann Jim seine Tatze hin und sagte: „Ich
gebe euch mein großes Ehrenwort unter Freunden, daß ihr euch auf mich verlassen
könnt. Drachenhafte Ungezogenheiten mache ich sowieso keine mehr, wo die
Drachen doch jetzt meine Feinde sind. Und ich will ihnen gar nicht mehr ähnlich
sein. Dafür seid ihr jetzt meine Freunde, und drum will ich euch durch und
durch gleichen.“
„Gut“, sagte Lukas, „wir werden es mit
dir versuchen. Ich frage mich nur, wovon du dich dort ernähren könntest. Du
mußt doch irgendwas zu essen haben.“
„Unbedingt!“ quiekte Nepomuk. „Ihr habt
aber doch erzählt, daß es so heiß da unten ist, weil das feuerflüssige
Erdinnere schon ganz nah drunter liegt. Da baue ich mir einfach einen
Ziehbrunnen mit zwei Eimern, und dann habe ich soviel Lava, wie ich nur will,
und sogar die nahrhafteste, die es überhaupt gibt.“
Nepomuk leckte sich das Maul bei dieser
Vorstellung.
Lukas wechselte mit Jim einen
belustigten Blick, dann brummte er: „Famos, ich glaube, Nepomuk ist tatsächlich
der Richtige für die Sache. Was meinst du, Jim?“
„Ich glaub auch“, sagte Jim.
„Danke!“ seufzte Nepomuk aus tiefster
Seele. Und von der überstandenen Sorge und Aufregung bekam er den Schluckauf
und produzierte gleich ein paarmal hintereinander grüne und violette Rauchringe
aus Nase und Ohren.
„Liebe Freunde“, sagte Lukas und erhob
sich, „damit wäre alles besprochen. Ich denke, wir halten uns nicht länger auf,
sondern fliegen so schnell wie möglich mit unserem ,Perpetumobil’ zu den
Magnetischen Klippen zurück. Dort wartet nämlich unsere kleine Molly auf uns,
und wir wollen sie nicht zu lange allein lassen.“ Jim dachte besorgt an den
Rückflug über die Berggipfel. Wie würde wohl der Scheinriese den Flug durch die
dünne Höhenluft aushalten? Und was, wenn er ihn vielleicht nicht aushielt? Er
wollte eben sein Bedenken äußern, als Herr Tur Tur mit erschrockener Miene
fragte: „Haben Sie eben von fliegen gesprochen, verehrter Freund?“
„Ja, Herr Tur Tur“, antwortete Lukas
ernst, „das wird sich nicht vermeiden lassen. Anders kommen wir ja aus dieser
Wüste nicht heraus, seit das ,Tal der Dämmerung’ eingestürzt ist...“
Plötzlich unterbrach er sich und
schnippte mit dem Finger.
„Das ,Tal der Dämmerung’„, rief
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