Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
wischte sich den Schweiß von der Stirn, »ich glaube, jetzt ist es genug! Es geht nichts mehr hinein!«
»Vielen Dank, Nepomuk!« sagte Lukas beschämt. »Das war aber wirklich sehr, sehr liebenswürdig von dir. Würdest du vielleicht gern mit uns Abendbrot essen?«
Es war nämlich inzwischen ziemlich spät geworden, und die Sonne senkte sich dem Horizont zu.
»Was habt ihr denn?« erkundigte sich Nepomuk und bekam sofort ganz gierige Augen.
»Tee und belegte Brote«, antwortete Jim.
Nepomuk machte ein enttäuschtes Gesicht.
»Ach nein, danke«, sagte er, »solche Sachen verträgt mein Magen nicht. Ich esse lieber eine ordentliche Portion Lava.«
»Was is’ Lava?« wollte Jim wissen. »Schmeckt das gut?«
»Lava ist die Lieblingsspeise aller Drachen«, erklärte Nepomuk mit würdevollem Stolz. »Es ist ein glühender Brei aus geschmolzenem Eisen und Schwefel und allerhand anderen feinen Sachen. Ich habe einen großen Kessel voll. Wollt ihr mal versuchen?«
»Lieber nicht«, sagten Jim und Lukas wie aus einem Mund. Also holten sich die beiden Freunde ihren Proviant aus der Lokomotive, und Nepomuk holte sich seinen Kessel voll Lava. Dann setzten sie sich zusammen und aßen zu Abend. Allerdings war Nepomuk kein sehr appetitlicher Tischgenosse. Er schmatzte und schlürfte und spritzte mit dem glühenden Brei um sich herum, daß Jim und Lukas richtig achtgeben mußten, damit sie nicht ganz und gar bekleckert und angesengt wurden. Nepomuk war zwar nur ein Halbdrache, aber er gab sich alle Mühe, sich möglichst wie ein reinrassiger Drache zu benehmen.
Als er endlich satt war, kippte er den Rest aus seinem Kessel einfach in eine Erdspalte in der Nähe. Dann leckte er sich das Maul, klopfte sich auf den prallen Bauch und rülpste herzhaft. Dabei stiegen ihm zwei schwefelgelbe Rauchkringel aus beiden Ohren.
Auch die beiden Freunde hatten ihre Mahlzeit beendet. Jim brachte die restlichen Brote und die Thermosflasche in die Lokomotive zurück, während Lukas sich seine Pfeife ansteckte. Dann unterhielten sie sich noch eine Weile über dies und das. Schließlich sagte Lukas beiläufig:
»Wir möchten gerne in die Drachenstadt. Weißt du, wie man dahin kommt, Nepomuk?«
»Natürlich weiß ich, wie man hinkommt«, erwiderte Nepomuk. »Was wollt ihr denn dort?«
Sie erklärten ihm ihr Vorhaben in aller Kürze. Als sie damit fertig waren, meinte Nepomuk:
»Eigentlich sollten wir Drachen ja zusammenhalten, und ich dürfte euch nichts verraten. Aber ihr habt mir geholfen, und die Drachen in Kummerland sind immer nur häßlich zu uns Halbdrachen und lassen uns nicht hinein. Ich werde also zu euch halten, damit sich die Drachen ärgern. Ich werde Rache üben. Seht ihr dort den hohen Gipfel?« Er zeigte mit der Tatze auf den riesenhaften Vulkan, der in der Mitte des Landes lag. »In diesem Berg«, fuhr er fort, »liegt die Stadt der Drachen. Der Gipfel ist oben offen. Er ist nämlich ein Krater.«
»Was is’ das, ein Krater?« erkundigte sich Jim.
»Ein Krater ist - naja, ein Krater ist eben ein Krater«, antwortete Nepomuk verwirrt. »Der Berg ist innen hohl und nach oben offen, ungefähr wie eine große Schüssel oder so was.«
»Aha«, sagte Jim.
»Und auf dem Boden dieses Kraters«, erklärte Nepomuk weiter, »liegt eben die Drachenstadt Kummerland. Sie ist riesengroß und viele tausend Drachen wohnen dort. Sie haben sich dahin zurückgezogen, seit es auf der übrigen Welt für sie zu gefährlich geworden ist. Nur noch ganz selten machen einige von ihnen Ausflüge in andere Länder.«
»Aber woher kommt der Rauch, der oben aus dem Berg steigt?« wollte Jim wissen. »Haben sie dort auch solche Herde wie du?«
»Natürlich«, antwortete Nepomuk, »aber hauptsächlich kommt er von den Drachen selber. Drachen speien doch Rauch und Feuer.«
»Irgendwo muß hier also die Stadt der Drachen sein«, murmelte er, »aber wo?«
Wie zum Beweis für seine Worte rülpste er wieder und ließ schwefelgelbe Dampf Wölkchen und ein paar Funken aus seiner Nase und seinen Ohren aufsteigen. Es wirkte allerdings ein bißchen kümmerlich.
»Aha«, meinte Jim, »so is’ das!«
»Und wie kommt man in die Drachenstadt hinein?« fragte Lukas und stieß ebenfalls ein paar Rauchwölkchen aus.
»Ja, das ist es eben«, seufzte Nepomuk und stützte den dicken Kopf nachdenklich in die linke Tatze. »Es ist ganz unmöglich hineinzukommen. Sogar für mich.«
»Aber es muß doch einen Eingang geben?« fragte Jim.
»Allerdings«,
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