Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
überzeugen konnten. Es gehörte ja zu den hauptsächlichsten Nahrungsmitteln der Bewohner von Kummerland.
»Paßt auf, Leute«, sagte Lukas, »wir warten am besten, bis es Nacht ist. Im Schutz der Dunkelheit treiben wir mit der Strömung auf unserer Lokomotive aus der Drachenstadt hinaus, und morgen früh sind wir schon weit weg von hier.«
Die Kinder stimmten dem Plan begeistert zu.
»Gut«, schlug Lukas vor, »dann ist es am vernünftigsten, wir legen uns jetzt alle ein bißchen aufs Ohr und schlafen auf Vorrat. Einverstanden ?«
Das waren alle. Zur Sicherheit schloß Jim noch das Klassenzimmer ab, in dem Emma auf den gefesselten Drachen aufpaßte, dann machten es sich alle auf den steinernen Betten i m Schlafsaal gemütlich, so gut es eben ging, und schlummerten ein. Nur Lukas saß in einer Ecke des Raumes in einem riesigen steinernen Ohrenbackenstuhl, schmauchte seine Pfeife und bewachte die Träume der Kinder.
Der kleine Indianer träumte von seinem heimatlichen Wigwam und von seinem Großonkel, dem Häuptling »Weißer Adler«, der ihm eine neue Feder verlieh. Und der kleine Eskimo träumte von einem kugeligen Schneehaus, über dem die Nordlichter am Himmel spielten, und von seiner weißhaarigen Tante Ulubolo, die ihm eine Tasse heißen Lebertran vorsetzte. Und das kleine Mädchen aus Holland sah im Traum die unermeßlichen Tulpenfelder seiner Heimat und mitten drin das kleine weiße Häuschen seiner Eltern, vor dem viele mühlensteingroße runde Käse lagen. Und die kleine Prinzessin ging im Traum an der Hand ihres Vaters über eine zierliche Brücke aus Porzellan.
Jim Knopf war im Traum in Lummerland. Er saß in der kleinen Küche bei Frau Waas. Die Sonne schien zum Fenster herein, und er erzählte von seinen Abenteuern. Und die kleine Prinzessin Li Si saß neben Frau Waas und hörte ihm voll Bewunderung zu.
So träumte jedes Kind von seinem Lande, und währenddessen brach allmählich die Dunkelheit herein, und es näherte sich die Stunde des Aufbruchs.
Zweiundzwanzigstes Kapitel
in dem die Reisenden unter die Erde geraten und wundervolle Dinge sehen
Es war inzwischen ganz dunkel geworden. Die steinerne Uhr im Nebenzimmer schlug zehnmal. Es war Zeit.
Lukas weckte die Kinder. Sie zündeten einige Pechfackeln an, um Licht zu haben. Dann holten sie aus der Vorratskammer eines der Teerfässer, hoben es mit vereinten Kräften auf den Herd in der Drachenküche und machten ein mächtiges Feuer darunter, bis der schwarze Brei zu brodeln anfing. Als es soweit war, holte Lukas die Lokomotive Emma aus dem Klassenzimmer herüber in die Küche, und dann machte er sich mit Jim zusammen daran, alle Ritzen an den Fenstern und Türen des Führerhäuschens wasserdicht zu verschließen, indem sie vorsichtig das heiße Pech hineinschmierten. Die Kinder schauten ihnen verwundert zu.
»Was wollen wir eigentlich mit dem Drachen anfangen?« fragte Jim während der Arbeit. »Sollen wir ihn gefesselt liegen lassen?«
Lukas überlegte eine Weile, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, dann würde er bald verhungern. Wir haben ihn besiegt, und es wäre nicht sehr großmütig, wenn wir uns jetzt an einem wehrlosen Gegner so grausam rächen würden. Obwohl er es natürlich verdient hätte.«
»Aber wenn wir ihn frei lassen«, meinte Jim besorgt, »dann wird er bestimmt Lärm schlagen und uns nicht fortlassen.«
Lukas nickte gedankenvoll. »Also bleibt uns nichts anderes übrig, als ihn mitzunehmen. Ich möchte auch noch ganz gern einiges von ihm wissen. Außerdem soll er natürlich eine gerechte Strafe bekommen.«
»Aber er ist doch viel zu schwer!« rief Jim. »Emma wird untergehen, und außerdem bleibt für uns selbst kein Platz mehr übrig, wenn er mitfährt.«
»Richtig«, antwortete Lukas und schmunzelte, »darum wird sich das Biest dazu bequemen müssen, hinter uns her zu schwimmen.«
»Dazu müßten wir ihm aber die Fesseln abnehmen«, wandte Jim ein und zog seine Stirn kraus. »Er ist furchtbar stark und wird sich sträuben.«
»Glaub’ ich nicht«, erwiderte Lukas und lachte vergnügt. »Das machen wir ganz einfach. Das eine Ende der Kette befestigen wir an Emmas Hinterteil und das andere an dem einzigen Zahn des Drachen. Der steht ja so weit heraus, daß wir ihm dazu das Maul ruhig zugebunden lassen können. Ehe wir abfahren, befreien wir seine Vorder-und Hinterbeine. Und wenn er sich sträubt mitzukommen, dann wird er das am eigenen Zahn ziemlich unangenehm spüren. Wirst sehen, er wird so folgsam sein wie
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