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Jimmy, Jimmy

Jimmy, Jimmy

Titel: Jimmy, Jimmy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark O'Sullivan
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»Wonderwall« von Oasis . Tom ist so begeistert, dass er auf meinen Schoß will und zu hüpfen beginnt. Zum Schluss versuchen sie sich an Black Sabbath , und sie legen los wie die Berserker. Das Stück heißt »Paranoid«. Dass die Jungs sich groß über ihr Publikum Gedanken machen, kann man ihnen nicht vorwerfen. Aber die Leute gehen mit und klatschen, und Tom klatscht so begeistert mit, dass ich mich auch nicht mehr halten kann. Nur Sean ist nicht beeindruckt, weder von der Band noch von mir.
    »Jetzt sei kein Spielverderber!«, sage ich, obwohl ich mirdarüber im Klaren bin, dass ich auch nur meine Angst wegklatsche. Nicht Dad! Bitte nicht Dad!
    Als der Applaus für Vanadium verebbt, tritt wieder Peter Foran ans Mikrofon. Er lacht übers ganze Gesicht, und seine gute Laune steckt mich beinahe an. Mir kommt nur auch ein Gedanke, und ich weiß, wie mies er ist, aber er kommt mir trotzdem: nämlich ob er nur so gut gelaunt ist, weil sein Sohn bald in dem Heim in Limerick verschwinden wird.
    »Und nun begrüßen Sie mit mir den einzigartigen Alan Foran!«
    Diesmal klatsche ich nicht mit, und meine Entschuldigung ist Tom, den ich kurz hochhalte, damit er die Beine nach vorn strecken und es sich auf meinem Schoß bequem machen kann. Sean klatscht auch nicht, aber dafür Tom. Alan kommt mit seinem Stock ans Mikrofon.
    »Ich heiße Alan Foran. Das erste Stück, das ich für Sie spiele, stammt aus dem Jahr 1958 und ist vom amerikanischen Jazzpianisten Bill Evans, der am 15. September 1980 starb. Es heißt ›Peace Piece‹.«
    Die Farben wabern plötzlich wieder, während Alan sich ans Klavier setzt. Ich senke den Kopf und denke: Bitte lass es nicht zu schrecklich werden! Er spielt zwei tiefe einzelne Noten, dann zwei Akkorde, nicht so tief, aber immer noch mit der linken Hand. Der zweite Akkord klingt ein bisschen falsch und doch irgendwie richtig. Es ist ein simples Schema, das sich wiederholt, bis ich mich frage, ob das schon alles ist, und genau da kommt die rechte Hand ins Spiel, die hohe, helle Noten spielt, immer noch keine Melodie, aber es klingt schön.
    Ich schaue auf und sehe, dass Dad inzwischen in der erstenReihe Platz genommen hat. Er wird nicht auftreten, das begreife ich jetzt. Warum sollte er auch? Sein Talent war ein ganz anderes. Dazu ist es, anders offenbar als das von Alan, für immer verschüttet.
    Und was ist mit mir? Ich bin das kleine Mädchen, das endlich begreift, dass ihr Vater nicht der größte, stärkste und talentierteste Mann auf dem ganzen Planeten ist. Das zu begreifen tut weh, und ich wünschte, ich könnte jemandem erzählen, wie sehr.
    Ich kann Dads Gesicht nicht sehen, aber so wie er dasitzt, ist er voller Aufmerksamkeit. Als wollte er sich keine Sekunde von Alans Auftritt entgehen lassen. Alans Musik scheint dem Farbenspiel an den Wänden zu folgen. Die Noten und Akkorde der Linken bleiben dieselben, aber die Rechte wird immer schneller. Dann ist das Stück zu Ende, und noch bevor die letzten Töne verklungen sind, beginnt das Publikum zu applaudieren.
    Alan wartet geduldig, dass wieder Stille einkehrt. Dann geht er nicht zum Mikrofon, aber seine Stimme trägt auch so weit genug.
    »Ich widme das nächste Stück meinem guten Freund Jimmy Summerton«, sagt er.

23
    Weihnachten auf dem Town Square. Lichterketten über den Straßen und um die Schaufenster der Geschäfte. Musik schallt aus offenen Ladentüren und scheppernden Lautsprechern rund um den Platz. Es klingt, als käme alles vom selben Sammelalbum, und es gibt kein Entkommen, für niemanden. Wenn man lange genug bleibt, glaubt man irgendwann, es mit einer Endlosschleife zu tun zu haben. Ich bin schon lange genug hier.
    Die Menschen haben es eilig, und ich stelle mir vor, wie ihnen die Kreditkarten rechteckige Löcher in die Taschen brennen. Überall dieselbe Botschaft: Glück zu verkaufen – aber Beeilung, bevor die Rezession noch ernster macht! Ich wünschte, ich hätte Brian gebeten, mich an einem anderen, ruhigeren Ort zu treffen. Ich hasse es, neben dem Eingang eines Fast-Food-Ladens zu stehen, den ich nie betreten würde. Im Übrigen geschieht es mir recht, wenn er nicht auftaucht. Er schien sowieso nicht gerade begeistert zu sein, mich zu treffen.
    Wir hatten das Head-Up-Centre kaum verlassen, als ich Brian schon eine SMS schickte. KÖNNEN WIR UNS UM 18.30 VORM SUPERSNAX TREFFEN? Nach einer halben Stunde hatte ich eine Antwort – SICHER –, die mir allerdings mehr wie ein Achselzucken vorkam. Am liebstenhätte ich

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