Jimmy, Jimmy
wabern immer noch über die Wände der Rainbow Hall, während ich sie mit Tom auf dem Arm zumzweiten Mal betrete und Sean mir leise mosernd folgt. Wenigstens spielt die Sphärenmusik nicht mehr. Wir finden Plätze, aber Mam ist uns nicht gefolgt. Sie nimmt weit hinten Platz, neben Peter Foran und der schmalen asiatischen Frau, die ich aus dem Wohltätigkeitsladen kenne. Mrs Foran, nehme ich an, das würde auch Alans Aussehen erklären. Sie hat dieselbe makellos blasse Haut und dieselben dunklen Augen.
Auf der Bühne stehen ein paar Verstärker und Mikrofonständer und ganz links ein elektrisches Piano. Die Wand hinter der Bühne ist mit einem mehrfarbigen Schild in Form eines Regenbogens geschmückt. WILLKOMMEN ZUR RAINBOW-SHOW!!! Im Geist sehe ich Dad und Alan und ein paar ihrer Leidensgefährten andächtig die Schrift ausmalen. Man kann ihre Zungenspitzen sehen.
»Wenn du leise bist«, sage ich zu Tom, »kauf ich dir eine Riesentüte Bonbons, okay?«
Er nickt, und ich weiß, dass er keinen Mucks machen wird. Er hat den ernsten Gesichtsausdruck, der mir inzwischen so vertraut ist. Sean und ich hatten es leichter als er, eine leichte, gute Kindheit. Nichts, was noch passiert, kann das je ändern. Dann wird es kurz dunkel im Saal, und gleich darauf gehen die Bühnenlichter an.
Ich lasse den Blick durch die Zuschauerreihen wandern, aber Dad kann ich nicht entdecken. Ich frage mich, ob er hinter der Bühne aushilft. Durch den Mittelgang geht Peter Foran in Richtung Bühne. Er nimmt mit drei großen Schritten die kleine Treppe links, wo das Piano steht. Als er zum Mikrofon in der Bühnenmitte geht, sieht er viel jünger aus als aus der Nähe. Er beginnt zu sprechen und scheint dabei kein bisschen nervös.
»Ich heiße Sie herzlich willkommen zur nun schon zweiten Rainbow-Show. Wieder präsentieren wir Ihnen eine bunte Mischung aus bekannten Künstlerinnen und Künstlern und Eigengewächsen, wie ich sie nennen möchte, hier aus dem Head-Up-Centre. Und nicht zu vergessen: Auch diesmal warten die Gewinne aus unserer Tombola auf Sie.«
»Um Himmels willen«, murmelt Sean, und ich weiß, dass er dasselbe denkt wie ich. Nicht Dad! Schickt bitte nicht Dad auf die Bühne! Im Stillen schwöre ich, es Mam niemals zu verzeihen, wenn sich herausstellt, dass wir hier einer Blamage beiwohnen sollen.
»Wie viele von Ihnen wissen, konnten wir im letzten Jahr große Fortschritte bei der Entwicklung des Angebots hier im Centre machen«, fährt Mr Foran fort. »Es freut mich, Ihnen heute sagen zu können, dass wir kurz vor einer Einigung mit den Gesundheitsbehörden stehen, die unsere Aktivitäten in Zukunft unterstützen wollen. Natürlich gibt es noch unendlich viel mehr, was wir tun können und müssen. Unser langfristiges Ziel war es schon immer, nicht nur eine Tagesstätte anzubieten, sondern eine Einrichtung zu schaffen, in der Menschen zumindest vorübergehend ein selbstständiges Leben in einer voll ausgestatteten betreuten Wohnstätte führen können.«
Ich höre, was Mr Foran sagt, aber ich denke an Dad und stelle mir vor, wie er in seinem komischen Gang auf die Bühne kommt. Ich sehe es richtig vor mir. Er tanzt. Mit der Ice Queen. Plötzlich schüttelt es mich so heftig, dass Tom sich noch enger an mich schmiegt, fast als wollte er mich wärmen.
»Natürlich macht die gegenwärtige wirtschaftliche Lagedie Suche nach Förderern nicht leichter, aber wir sind zuversichtlich, Ihnen bald Genaueres über durchaus positive Entwicklungen in dieser Hinsicht berichten zu können. Noch sind nicht alle Details geklärt, aber seien Sie versichert, dass wir im neuen Jahr einen wichtigen Schritt in die Zukunft unserer Einrichtung machen werden. – Nach dieser zugegeben ein wenig geheimniskrämerischen Prognose darf ich Ihnen nun unseren ersten Programmpunkt ansagen. Ich bitte um Applaus für Vanadium !«
»Van- was ?«, fragt Sean.
»Vanadium«, sage ich. »Eines der schwersten Metalle überhaupt.«
»Wer hat dir das erzählt?«, fragt er säuerlich. »Brian?«
Vanadium ist eine Gruppe spindeldürrer Jungs mit langen Haaren. Was ihre musikalischen Fähigkeiten betrifft, haben sie noch Luft nach oben, aber sie geben sich Mühe und haben viel Spaß dabei, immerhin. Das erste Stück, das sie spielen, ist von den White Stripes : »The Hardest Button to Button«. Keine schlechte Wahl unter den Umständen. Sean krümmt sich während der ganzen Nummer und klatscht auch nicht, als sie fertig sind. Als Nächstes spielen sie
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