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Jimmy, Jimmy

Jimmy, Jimmy

Titel: Jimmy, Jimmy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark O'Sullivan
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genial am Klavier, und alles, woran ich denken konnte, war, dass Dad bitte nicht auch auf die Bühne kommen soll . Dabei war’s sonnenklar, dass er nicht kommt, weil er auch gar nichts mehr kann …«
    Ich weine, und Angie kommentiert: Wow, was für eine Show! Vielleicht hat sie recht. Ich weiß gar nichts mehr. Vielleicht übertreibe ich wirklich.
    »Und dieser Typ – Alan – spielt auch noch eine unglaublich coole, jazzige Version von ›Tomorrow‹, und mein Herz … Ich war überhaupt nicht mehr bei mir. Die ganze Zeit hab ich gedacht, dass ich diejenige sein sollte, die da oben für Dad auftritt, ich mit meiner roten Perücke, ich, die ›Tomorrow‹ singt, weil er’s an dem Unglücksabend ja verpasst hat. Und es war alles meine Schuld, weil ich nichtwollte, dass sie zur Aufführung kommen, erst am letzten Abend, und den hat es dann nicht mehr gegeben. O Gott, bin ich eine bescheuerte Drama Queen. Ich mach dir Angst, stimmt’s?«
    »Du machst mir keine Angst«, sagt Brian und ergreift mit beiden Händen meine Hand. »Das mit deinem Dad tut mir so leid …«
    Ich würde ihm gern auch von all dem anderen erzählen, was mir zu schaffen macht, aber ich habe mein Glück schon genug herausgefordert. Die Berührung seiner Hände fühlt sich zu gut an, als dass ich was riskieren möchte. Gerade ist noch ein Paar hereingekommen und hat sich an den Nachbartisch gesetzt. Mir sind sie zu nah. Sie sind mir auch einander zu nah. Sie geben sich Küsschen und kneten sich mit weit geöffneten Augen die Hände. Wahrscheinlich denken sie, die Begeisterung füreinander wird für immer anhalten. Martin und Kathleen müssen das auch mal gedacht haben. Mam und Dad auch.
    Dann windet sich Brian auf seinem Stuhl und kramt ein kleines, flaches, in Geschenkpapier eingewickeltes Päckchen aus der Jackentasche. Er legt es neben meiner Tasse auf den Tisch.
    »Zu Weihnachten«, sagt er. »Ich hoffe, es gefällt dir.«
    »Aber … ich hab gar nichts für dich.«
    »Ich hab auch nichts verdient«, sagt er.
    »Warum sagst du so was?«
    »Vielleicht bin ich auch eine kleine Drama Queen«, sagt er mit einem Lächeln. »Willst du’s nicht aufmachen?«
    Ich tu’s, richtig ungeschickt, mit Fingern, die das Papier zerpflücken. Es ist ein silbernes Armband, viel teurer als das aus Perlen, das er mir vor so langer Zeit kaputt gemachthat, dass ich es schon vergessen hatte. Und das hier wird auch kaputt gehen, sagt Angie. Alles geht kaputt. Was immer zwischen dir und Brian ist, es wird auch kaputtgehen. Irgendwann hat er deine Schniefgeschichten satt, und du und dein Dad, ihr tut ihm nur noch leid. Dann bringe ich sie endlich zum Schweigen. Ich nehm das jetzt , sage ich zu ihr, und es ist mir so was von egal, ob er ’ s mir aus Liebe schenkt oder aus Mitleid, weil ich nicht klarkomme.
    »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, Brian.«
    Er zuckt mit den Achseln, und ich weiß nicht, was ich tun soll, aber dann werde ich von Romeo und Julia am Nachbartisch inspiriert. Ich lehne mich vor und küsse ihn auf die Lippen.

24
    Ich tanze mit Dad. Foxtrott. Wir sind in seinem Zimmer, und die Musik stammt aus irgendeiner fernen Vergangenheit. Noch von vor meiner Zeit, sogar vor seiner Zeit. Bigband-Swing. Ich werde bestimmt nie die beste Turniertänzerin von Moravia, aber wenigstens lenke ich ihn für eine Weile von seiner neuesten Obsession, dem Tennisspielen, ab.
    Nach dem Besuch in der Kathedrale hatte ich mir Sorgen gemacht, dass Weihnachten ihn überfordern könnte. Aber nichts davon. Er hat jede Minute genossen. Er hat sogar den Weihnachtsmann gespielt. Er kam nach oben und legte dem schlafenden Tom die Geschenke ans Fußende. Er trank das Glas Milch, das Tom dem Weihnachtsmann hingestellt hatte, und biss ein Stück von der Karotte für das Rentier Rudolf ab. Nur ich war so nervös, dass ich wieder eine von seinen Tabletten nahm. Vielleicht hatte ich auch einen Ahnung, dass nicht alles so friedlich bleiben würde.
    Aber am Weihnachtstag war er erst mal außer sich vor Freude über die vielen Geschenke, die er selbst bekam. Martins Geschenk war ein von Roy Keane signierter Fußball. Er hatte ihn bei einer Auktion ersteigert und weiß der Himmel wie viel dafür bezahlt. Mam schenkte Dad einen neuen Parka, eine dick gefütterte Jägerkappe mit Ohrenschützernund ein Paar feste Stiefel. Typisch Mam. Praktisch. Ich hatte ihm ein Retro-Trikot der brasilianischen Nationalmannschaft gekauft, die Nummer 10 von Pelé. Aber es war komischerweise Seans

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