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Jinx und der magische Urwald (German Edition)

Jinx und der magische Urwald (German Edition)

Titel: Jinx und der magische Urwald (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sage Blackwood
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warmen Wolke, die den Zauberer umgab, selbst wenn er meist eher mürrisch war.
    Auch an die Hexen gewöhnte sich Jinx. Simon bewirtete sie und hörte aufmerksam zu, wenn sie über Magie sprachen. Anschließend zogen sie sich für gewöhnlich in den Südflügel zurück – vielleicht, um auszuprobieren, was sie ihm erzählt hatten. Wenn Simon sich tagelang einschloss, war es sehr einsam. Manchmal ging Jinx nach oben und schaute zum Fenster der Weitsicht hinaus. Nie gewährte es ihm einen Blick auf seine alte Lichtung, stattdessen zeigte es ihm gern das Mädchen mit der roten Kapuze.
    Jinx gewöhnte sich an, mit ihr zu sprechen. Da sie ihn nicht hören konnte und nicht einmal wusste, dass er sie beobachtete, musste er ihre Antworten erfinden.
    »Wo Simon wohl hingeht?«, sagte er zu dem Mädchen.
    Aber sie konnte es sich ebenso wenig vorstellen wie Jinx.
    Sosehr Jinx es auch versuchte, es gelang ihm einfach nicht, die verbotenen Zimmer zu sehen. Alle anderen Ecken von Simons Haus hatte er schon erkundet, drinnen wie draußen. Sogar auf das Dach des Stalls, in dem die Ziegen und Hühner wohnten, war er geklettert und dann hinuntergerutscht in den Schnee – beim ersten Mal aus Versehen, dann ein paarmal mit Absicht. Aber den verbotenen Flügel hatte er noch nie betreten. Simon hielt die Tür immer fest verschlossen.
    Manchmal kam der Zauberer mitten in der Nacht in die Küche, dann wachte Jinx auf und sah Simons schwielige Füße. Jinx kroch gern unter dem Tisch hervor, setzte sich und trank im Dunkeln Apfelsaft und aß ein Stück Brot und Käse mit ihm. Keiner von beiden sprach ein Wort. Langsam aßen und tranken sie, während die Geräusche und die Frische der Nacht sie umgaben, hin und wieder scheuchten sie eine Katze vom Tisch.
     
    Eines Nachts, das Frühjahr hatte gerade begonnen, erwachte Jinx und sah ein anderes Paar Füße unter dem Tisch. Es waren hübsche Füße, schmal und braun mit wohlgeformten Zehen, die anders als Simons Füße nichts mit Baumwurzeln gemein hatten.
    Etwas wurde laut auf den Tisch gestellt, dann tauchten Simons Füße neben den neuen Füßen auf.
    »Du warst zu lange weg«, sagte Simon leise, als wollte er Jinx nicht wecken.
    »Nur eine Woche.« Es war die Stimme einer Frau.
    »Mir kam es länger vor.«
    Jinx wusste nicht viel über Wochen und Monate – er wusste, was die Wörter bedeuteten, aber die Zeit verschwamm zu einem großen Ganzen. Seit er bei Simon wohnte, war der Winter gekommen und gegangen. Es musste also schon länger als eine Woche sein. Und doch hatte Jinx die Füße dieser Frau noch nie gesehen.
    »Sie wollen nicht, dass ich herkomme. Das weißt du doch«, sagte die Frau.
    »Hmhm. Aber du kommst trotzdem.«
    Ein klebriges, silbersüßes Gefühl lief an den Tischkanten herunter und drohte auf Jinx zu tropfen. Erschrocken schnarchte er laut auf, um Simon daran zu erinnern, dass er da war.
    »Was war das?«
    »Der Junge. Er schläft unterm Tisch.«
    Als die beiden sich bückten und ihn anschauten, hatte Jinx die Augen fest geschlossen. Er brauchte seine Augen nicht, um die Gefühle der Menschen zu sehen – Gefühle drangen immer hindurch, als Farbe, Form oder Geräusch. Manchmal sogar als Geschmack.
    »Der Junge«, sagte die Frau. Auf einmal schlich sich etwas Borstiges in das silbersüße Gefühl. »Woher hast du einen Jungen?«
    »Ich hab ihn von seiner Familie bekommen. Hab einen Silberpfennig für ihn bezahlt.«
    Das entsprach genau genommen nicht ganz der Wahrheit. Simon hatte zwar
gesagt
, er wolle einen Silberpfennig für Jinx bezahlen, doch dann waren die Trolle gekommen, und Simon konnte sein Geld behalten.
    »Und was genau willst du mit einem Jungen anfangen?« Jetzt kam die Stimme der Frau wieder von oben, die beiden schauten ihn nicht mehr an. Sie sprach mit einem Akzent, als wären die Urwischwörter in ihrem Mund nicht ganz zu Hause.
    »Er hält das Haus in Ordnung. Holt Brennholz rein. Solche Sachen halt.«
    »Ein Sklave«, sagte die Frau. Silbersüßer Frost, wie Februareis.
    »Er ist kein Sklave. Wenn er größer ist, zahle ich ihm einen Lohn.«
    »Deshalb also durfte ich den ganzen Winter nicht in die Küche. Du hältst hier einen Jungen versteckt.«
    »Ich wusste, dass du einen Aufstand machst«, sagte Simon. »Es ist doch bloß ein Junge.«
    Jinx fragte sich immer noch, wie die Frau vor einer Woche hier gewesen sein konnte, ohne durch die Küche zu kommen. Es gab keinen anderen Weg ins Haus.
    »Jedenfalls leistet er mir Gesellschaft«, sagte Simon.

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