Joe Golem und die versunkene Stadt
Kopf in einem merkwürdigen Winkel, und er schien sich nur nochauf ein Bein zu stützen, aber die Gasmaske war keinen Millimeter verrutscht. Molly starrte wie gebannt auf die schwarzen Gläser, auf denen das Sonnenlicht funkelte.
Der Hüne war verletzt, aber bei Weitem nicht so schwer, wie es nach einem solchen Aufprall zu erwarten gewesen wäre. Er hätte sich viel schlimmer verletzen müssen.
Er hätte gar nicht mehr leben dürfen.
Was war das für ein Monster?
Seltsam , schoss es Molly durch den Kopf. Auf mich haben diese Ungeheuer es doch gar nicht abgesehen. Sie haben Felix in ihrer Gewalt. Weshalb verfolgen sie mich? Wollen sie etwas von mir? Aber was?
Als der Hüne auf sie zu hinkte, wurde Molly aus ihrer Erstarrung gerissen und setzte ihre Flucht fort. Sie rannte quer über das Hoteldach und hob bei jedem Schritt die Knie so hoch sie konnte, um schneller durch das Wasser zu kommen. An das östliche Ende des Gebäudes grenzte ein alter Steinbau, in dem sich einst Büros befunden hatten. In den Jahrzehnten seit der Katastrophe waren sie in behelfsmäßige Wohnungen umgewandelt worden. Die Menschen, die dort lebten, waren arme, aber zumeist anständige Leute, die seit vielen Jahren die Wasserratten und Schlimmeres auf Abstand hielten. Sämtliche Fenster, die vom Hoteldach aus zu erreichen waren, hatten die Bewohner mit Ziegeln oder Beton zugemauert oder mit Brettern vernagelt, aber das störte Molly nicht weiter. Sie brauchte nicht in das Gebäude hinein.
Sie kletterte, so schnell sie konnte. Der gehauene Steinbogen an einem der Fenster bot ihr ausreichend Halt, dass sie sich aus dem Wasser ziehen konnte. Als sie auf der Oberseite des Bogens stand, mit nassen, vollgesogenen Schuhen, die gefährlich auf dem Granit rutschten, hob sie die Arme und packte einen breiten Sims, der bis zur Front des Gebäudes verlief. Sie zog sich hoch, schob sich die Seitenwand des Hotels entlang und dann vorsichtig um die Ecke zur Vorderseite des Gebäudes.Ein Sturz ins Wasser hätte sie nicht umgebracht, aber wenn sie jetzt in die Brühe fiel, erwischte der Gas-Mann sie auf jeden Fall.
Ihr neuer Aussichtspunkt bot Molly einen Blick auf das Gewirr der Brücken, die in sämtlichen Richtungen kreuz und quer die Stadt überzogen. Einige waren aus Stein, andere aus Stahl, wieder andere aus Brettern, die zusammengebunden waren oder an Ketten hingen. Wenn Molly nicht um ihr Leben schwimmen wollte, musste sie so schnell wie möglich in dem vielgeschossigen, verwirrenden Labyrinth der Stadt verschwinden. Dort kannte sie jede Ecke und jeden Winkel in- und auswendig.
Eine schmale Stahlbrücke führte von dem alten Bürohaus über die 28 th Street zu einem kleinen Gebäude auf der anderen Seite, dessen Obergeschoss einen Laden beherbergte, in dem alte Frauen handgeschneiderte Kleider und alte Männer Zigarren verkauften. Molly beeilte sich, über den Sims zur Brücke zu kommen. Die kreuzgerippten, verschweißten und verschraubten Streben bildeten einen Käfig, der verhinderte, dass jemand die Brücke von außen betreten oder verlassen konnte. Molly kletterte an der Außenseite hoch, benutzte die Streben als Sprossen und zog sich schließlich auf die Oberseite der Brücke. Als sie nach hinten blickte, sah sie den Gas-Mann, der sich jetzt schneller zu bewegen schien, als wären die Verletzungen, die er beim Sturz auf das Dach des Hotels Sebastian erlitten hatte, bereits verheilt. Es war gespenstisch. Was war das für eine Kreatur?
Molly rannte auf der Oberseite der Brücke entlang und glitt mit ihren nassen Schuhsohlen aus. Um ein Haar wäre sie gestürzt. Die Arme ausgestreckt, machte sie einen Satz nach vorn, um das Gleichgewicht zu halten. Dann hatte sie die andere Seite erreicht und ließ sich vom Schwung zu dem Zigarren- und Kleiderladen hinübertragen.
Die Brücke führte in das oberste Stockwerk des Hauses. Molly sprang, als sie das Ende des Stahlgerüsts erreichte, packte einen Sims,zog sich daran hoch und rollte sich aufs Dach, wo die salzige Luft nach Zigarrenrauch roch. Angewidert sah sie, dass sie sich in einer dicken Schicht aus Möwen- und Taubendreck gewälzt hatte, der an ihrer feuchten Kleidung haften blieb. Sie rümpfte vor Abscheu die Nase, aber jetzt war nicht die Zeit haltzumachen, um sich zu säubern.
Als Molly über das Dach eilte, überschlugen sich ihre Gedanken vor Angst, Trauer und Erstaunen. Die Mendehlsons, vom Schmerz über den Verlust ihres Sohnes David überwältigt, waren jetzt selbst tot, auf
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