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Joe Golem und die versunkene Stadt

Joe Golem und die versunkene Stadt

Titel: Joe Golem und die versunkene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Mignola
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entsetzliche Weise ermordet. Wenigstens erhielten sie jetzt Antworten auf alle Fragen über Davids Geist, die sie so lange gequält hatten. Und Mr.   Mendehlson würde erkennen müssen, dass Orlov der Beschwörer doch kein Scharlatan war.
    Aber was war mit Felix? Das Schwitzen und die Krämpfe, der kehlige Gesang, der Rauchgeruch, der von ihm aufgestiegen war   … gehörte das alles zu einer Art Angriff aus der Geisterwelt? War es dämonische Besessenheit? Oder hing es mit dem Überfall der Gas-Männer zusammen?
    Unvermittelt erschien der riesige Gas-Mann hinter Molly auf dem Dach. Eine eisige Faust schloss sich um ihr Herz. Ihre tropfnasse, stinkende Kleidung klebte an ihr und behinderte sie, doch sie rannte los. Sie kannte die Gebäude hier, kannte die geheimen Gänge der Versunkenen Stadt und ihre verborgenen Brücken aus den Jahren, in denen sie kaum zu essen und keinen festen Platz zum Schlafen gehabt hatte und noch dazu ständig vor Männern fliehen musste, die schlimme Dinge von einem kleinen Mädchen wollten.
    Am östlichen Ende des Daches, über dem Zigarren- und Kleiderladen, war eine Acht-Fuß-Brücke aus dicken Holzplanken. Molly zögerte nicht, sondern rannte über die glitschigen Planken hinweg, die unter ihrem Gewicht zitterten, sich aber nicht verschoben.
    Der Gas-Mann folgte ihr stumm wie ein Schatten. Dieses Schweigen ließ ihn noch bedrohlicher erscheinen, als er ohnehin schon war. Molly zitterte vor Angst, als sie sich durch das offene Fenster am Ende der Plankenbrücke warf. Ein alter, verwitterter Fischer saß in der Ecke des Raumes, eine Spritze im Arm. Er nickte ihr zu, aber Molly beachtete ihn gar nicht und stürmte aus dem Zimmer.
    Im Korridor war eine Wendeltreppe aus Stahl. Molly packte das Geländer und schwang sich die Stufen hoch, trieb sich mit pumpenden Beinen und keuchender Lunge nach oben. Ihre Brust brannte vor Anstrengung, aber sie durfte jetzt nicht langsamer werden.
    Im Eingangsraum schrie der rauschgiftsüchtige Fischer angsterfüllt auf, und Molly wusste, dass der Gas-Mann nun im Gebäude war. Dann hörte sie ein Poltern und fragte sich, ob der bemitleidenswerte Mann diesem Ungeheuer in den Weg geraten war. Als sie hinunterblickte, sah sie den Gas-Mann zur Wendeltreppe eilen. Sie glaubte, seinen schweren, keuchenden Atem zu hören. Vor Angst stieg ihr Galle in die Kehle. Sie schmeckte wie Rost.
    Molly bog in einen kleinen Durchgang ab und gelangte in einen Raum, der einst als Abstellkammer oder winziges Kinderzimmer gedient hatte. Rasch, aber leise schloss sie die Tür hinter sich. Der Gas-Mann konnte unmöglich gesehen haben, wie sie in das Zimmer geflüchtet war. Wenn sie still blieb, war sie hier sicher. Trotzdem fühlte sie sich hinter der dünnen Tür, die nicht einmal abgeschlossen war, schrecklich verwundbar. Zum Glück kannte sie jeden Winkel dieses Gebäudes. Früher war es ein schickes Apartmenthaus für wohlhabende Leute von außerhalb gewesen, die sich in Manhattan eine Zweitwohnung hielten.
    Am anderen Ende des Raumes stand ein großer Kleiderschrank, dessen Holz vom Alter schimmelig war. Jemand hatte ihn von der Wand abgerückt. Dahinter sah Molly eine weitere kleine Tür wie die zum Treppenhaus, nur vier Fuß hoch. So leise sie konnte, schlüpfte sie hindurch und horchte dabei auf den Gas-Mann. Sie gelangte auf den Absatz einer Treppe aus schmalen, mit Teppich bedeckten Stufen. Das Gebäude wurde von einem Gewirr aus Korridoren und Treppen durchzogen, in denen Dienstboten sich ungesehen durch das ganze Haus bewegen konnten wie Ratten im Gemäuer.
    Fast lautlos huschte Molly durch den schmalen Gang, hielt dann aber inne, als sie hörte, wie der Schrank krachend beiseiteflog. Ihr stockte das Herz. Woher wusste der Gas-Mann, welchen Weg sie genommen hatte? Er konnte unmöglich gesehen haben, wie sie durch die kleine Tür in den Raum mit dem Schrank gekrochen war, und sie hatte kaum ein Geräusch verursacht. Es war beängstigend.
    Voller Panik durchquerte Molly das Labyrinth aus Gängen und Treppen. Immer wieder duckte sie sich in dunkle Türeingänge und stieg schmale Treppen hinauf oder hinunter. Doch jedes Mal, wenn sie innehielt und lauschte, hörte sie, dass der Gas-Mann sie noch immer verfolgte, obwohl es ein Ding der Unmöglichkeit war.
    Schließlich kauerte sie sich in einem winzigen Kriechgang im Dachboden zusammen und wartete mit angehaltenem Atem, dass das Ungeheuer unter ihr vorbeistapfte. Durch einen Spalt in der Dachbodenluke konnte sie den Korridor

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