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Joe Golem und die versunkene Stadt

Joe Golem und die versunkene Stadt

Titel: Joe Golem und die versunkene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Mignola
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einen Schlauch in die Maske strömte.
    Blinzelnd versuchte er im trüben Wasser etwas zu erkennen. Verschwommene Lichter trieben irgendwo in der Nähe. Sie wirkten gestreckt und seltsam verwischt. Ihm fiel auf, dass ihr Licht eigenartig statisch wirkte.
    Während Felix langsam einen tiefen Zug Luft nahm und dann wieder ausstieß, wurde er ein wenig ruhiger und versuchte, seine Lage zu analysieren. Er war unter Wasser angekettet und atmete durch eine Maske. Der große Houdini hatte es zur Kunstform erhoben, aus scheinbar unentrinnbaren tödlichen Unterwasserfallen zu entkommen, gefesselt und in einer Zwangsjacke. Felix hatte Houdinis Methoden studiert und begriffen, deshalb wusste er, dass die Selbstbefreiungen bloß der Trick eines großen Bühnenzauberers gewesen waren. Das Eintauchen ins Wasser und die Fesseln waren genauso vorhergeplant wie der Ablauf der Befreiungen. Wäre Houdini unter Wasser aufgewacht, an den Grund gekettet, hätte er keine Chance gehabt.
    Doch wer immer Orlov den Beschwörer gefangen hielt   – er wollte nicht, dass Felix ertrank, sonst würde er ihn nicht mit Atemluft versorgen. Diese Erkenntnis machte Felix noch ein bisschen ruhiger, und er versuchte sich auf das eigentliche Problem zu konzentrieren.
    Wieder schloss er die Augen und beruhigte seine Atmung. Obwohl seine Handgelenke aneinandergefesselt waren, fiel es ihm nicht schwer, die sich merkwürdig anfühlende, sehnige Leine zu ergreifen, die ihn festhielt. Indem er die Hände daran nach unten schob, zog er sich Zoll für Zoll tiefer. Felix Orlov war ein alter Mann, doch unter Wasser brauchte er das Gewicht seines schwächlichen Körpers nicht zu tragen; er fühlte sich beinahe zwanzig, dreißig Jahre jünger. Er streckte die Beine aus und tastete mit den Zehen nach dem Grund. Dann zog er sich an der Leine nach unten, bis seine Fersen auf etwas Festes, Glattes trafen. Obwohl er nicht an Sauerstoffmangel litt, schmerzte seine Brust, und er fragte sich, ob sein Herz der Belastung gewachsen war.
    Er erinnerte sich an die Mendehlsons und daran, wie die Männer in den merkwürdigen, ballonartigen Anzügen das Theater gestürmt hatten, aber viel mehr Erinnerungen hatte er nicht. Sie hatte ihm wehgetan; er spürte noch immer die blauen Flecke und das Pochen der verdrehten, gezerrten Muskeln. Er erinnerte sich an einen Sturz und einen Schwall nach Öl schmeckendem Meerwasser, das ihm in die Kehle geronnen war und ihm den Atem geraubt hatte.
    Und jetzt das hier.
    Blinzelnd spähte er durch das Wasser, das ihm allmählich klarer erschien. Der trübe Eindruck entstand durch den Mangel an Licht. Er versuchte unten zu bleiben und sich von der Stelle zu entfernen, wo die Leine am glatten, glasartigen Boden angekettet war, aber so ging es nicht. Er stieß sich mit den Beinen ab und schwamm in Richtung der trüben, verwaschenen Lichter.

    Plötzlich stieß er mit dem Kopf so heftig gegen Glas, dass die Atemmaske leicht verrutschte. Einen Augenblick lang war er orientierungslos. Er schob die Füße vor und berührte das Hindernis, das ihn von den Lichtern im Wasser trennte. Die verwaschenen Leuchtflecke flackerten wie brennende Fackeln.
    Felix begann nach oben zu treiben. Die Leine zog ihn vom Glas weg, und er trat so heftig mit den Beinen aus, dass die Anstrengung in seinen Muskeln brannte und noch schlimmere Schmerzen in seiner Brust hervorrief. Doch er berührte das Glas mit dem Ellbogen, und es gelang ihm, seine Maske dagegenzudrücken, ohne sich noch mehr zu verletzen. DieAugen hinter der Maske geweitet, blickte er in den Raum hinter dem Glas, erkannte seine Umgebung zum ersten Mal deutlich   …
    … und fuhr erschrocken zurück. Das konnte nicht sein. Es war schlichtweg unmöglich! Doch der verschwommene Anblick genügte, um vieles von dem zu bestätigen, was er gesehen hatte.
    Felix ließ sich treiben, während er mit kurzen Zügen die Luft einatmete, die durch den Schlauch in seine Maske strömte. In seinen Träumen war er sich immer wie ein Gespenst vorgekommen, ein körperloses Phantom, das das Geschehen nur beobachtete, das rings um ihn ablief. Jetzt, im Wasser treibend, in einem bizarren Menschenaquarium gefangen, kam Felix sich erneut wie eine Geistererscheinung vor. Was er durch das Glas seines Aquariums gesehen hatte, verstärkte noch die Traumhaftigkeit des Augenblicks.
    Felix wünschte sich, er hätte die Hände frei. Dann hätte er sein Gesicht bedecken und wenigstens vorgeben können, als sehe er nichts von der unmöglichen

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