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Joe Golem und die versunkene Stadt

Joe Golem und die versunkene Stadt

Titel: Joe Golem und die versunkene Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Mignola
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hinein oder hinaus, dass Molly an eine deformierte Kirchenorgel denken musste. Aus einigen Rohren strömte heißer Dampf, andere waren von eisigem Reif überzogen.

    Skaleninstrumente aus Glas und Metall spickten das maschinelle Durcheinander. Im Zentrum des Raumes schwang ein Pendel langsam über einer Karte der Stadt, die auf den Boden gemalt war. Pumpen seufzten, Motoren tuckerten. Auf einigen Messgeräten zeigten die Nadeln gefährlich weit in den roten Warnbereich, während andere überhaupt nicht ausschlugen.
    Joe nahm die Zigarette hinter dem Ohr hervor und zündete sie an. Die Spitze glühte orange auf, als die Flamme des Streichholzes sie zum Leben erweckte.
    »Was ist das denn alles?«, fragte Molly.
    »Jahrzehnte habe ich mit der Entwicklung dieser Instrumente verbracht«, sagte Mr.   Church. Der alte Detektiv schlurfte zur nächsten Maschine und klopfte gegen das Glas eines Anzeigegeräts. Zischend entließ es Dampf aus einem Ventil, doch die Nadel fiel in den sicheren grünen Bereich, und eine zweite Dampffahne pfiff aus dem Ablassrohr. »Mit diesen Geräten überwache ich das übernatürliche Klima der Stadt. Ich kann Spitzen der okkulten Energie verfolgen   – jede Veränderung des Musters   –, und das oft schon vor ihrem Auftreten.«
    Molly trat vor und fuhr mit der Hand über das glatte Skalenglas eines Messinstruments.
    »Deshalb wussten Sie, dass die Gas-Männer heute Felix und mich überfallen würden?«
    »Nicht ganz. Meine Maschinen sagten für heute Morgen einen Ausbruch okkulter Aktivität an seiner Wohnstätte voraus. Unnatürliche Energien flossen dort ineinander. Ich hatte so etwas schon seit Jahren erwartet und schickte Joe sofort dorthin.«
    Molly runzelte die Stirn und dachte an den Anfall, den Felix während der Séance erlitten hatte.
    »Hat ihn etwas angegriffen?«, fragte sie.
    »Das glaube ich nicht. Ich vermutete eher, dass diese Energien vonniemand anderem als Felix selbst erzeugt wurden, genauer gesagt von dem okkulten Einfluss, der sein Leben lang auf ihm gelegen hat. Ihrer Beschreibung dessen zufolge, was ihm während der Séance mit den Mendehlsons widerfahren ist   – vor dem Überfall der Geschöpfe, die Sie als ›Gas-Männer‹ bezeichnen   –, vermute ich stark, dass Felix während seiner Trance zum ersten Mal diese Energien angezapft hat, was wohl eine Art Fortentwicklung des bislang untätigen übernatürlichen Elements in seinem Erbe auslöste.«
    »Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie reden«, erwiderte Molly. Sie musterte die Anzeigen genauer. Eine von ihnen stieß einen kalten Dampfstrahl aus, bei dem sie zurücksprang. »Felix hat seinen Kunden manchmal etwas vorgemacht, aber nur manchmal. Welche Gaben er auch besaß, er hatte sie schon vor der Séance heute Morgen.«
    Joe grunzte und klopfte gegen die Glasscheibe eines Instruments, als zweifelte er den Wert an, den es zeigte. »Seine Zauberei, seine Gabe, mit den Toten zu reden, das alles war nur die Spitze vom Eisberg. Wenn Mr.   Church und ich recht haben   …«
    »Und wenn wir unrecht haben?«, unterbrach Mr.   Church ihn beinahe gereizt.
    »… steckt mehr in Mr.   Orlov, als er selbst je ahnte.«
    Zur Abwehr gegen die frostige Luft im Raum schlang Molly die Arme um den Oberkörper. Durch die getönte Glaskuppel drang kein Sonnenlicht. Sie nahm sich ein bisschen Zeit, um alles durchzugehen, was sie gehört hatte. Eine Frage allerdings blieb offen.
    »Wenn Ihre Maschinen vorhergesagt haben, was mit Felix bei der Séance passiert«, sagte sie, »und wenn Sie uns deshalb Joe zu Hilfe geschickt haben, wie kommt es dann, dass die Gas-Männer praktisch gleichzeitig da waren? Das kann doch kein Zufall sein.«
    Mr.   Church sah aus, als hätte er etwas Saures verschluckt.
    »Ich glaube nicht an Zufälle«, sagte der alte Detektiv. Das Ratternder Zahnräder in seinem Innern wurde lauter. Er schniefte, als müsste er niesen. Molly fragte sich, ob ihm dann Öl aus der Nase spritzte.
    Joe lehnte sich gegen die Rohre an der anderen Wand und nahm einen langen Zug aus seiner Zigarette. Weder die Hitze noch die Kälte schienen ihm etwas auszumachen.
    »Mr.   Church ist nicht der Einzige in der Stadt, der so was bauen kann«, erklärte er Molly, während Rauch sich aus seinem Mund ringelte. »Noch jemand anders hat die okkulten Energien in der Stadt überwacht und die gleiche Spitze entdeckt wie wir. Heute Morgen ist er dann hingegangen und hat sich Felix geschnappt. Alles andere ergibt keinen Sinn.«
    Molly

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