Joe von der Milchstraße
richtige Wort – altersschwach.«
»Hat sie jemals etwas gesagt?«
»Eigentlich nicht.«
»Nicht einmal, als sie noch gesund war?«
»Vor zehn Jahren kam sie einmal und bat um einen Wettersatelliten.«
»Womit hat sie ihn bezahlt?«
»Sie hat überhaupt nicht bezahlt. Sie ist arm. Wir haben ihr den Satelliten umsonst gegeben, und wir haben ihr zusätzlich noch einen Nachrichtensatelliten in die Umlaufbahn von Sirius 5 geschossen.«
»Verbraucht und altersschwach«, sagte Joe nachdenklich. Er fühlte sich betrogen. »Nun«, sagte er, »unter diesen Umständen werde ich wohl kaum Geld von ihr bekommen.«
»Was ist los?« fragte Smith. »Haben Sie irgendwelche Ansprüche an sie?«
»Auf Wiederhören, Smith!« sagte Joe.
»Einen Moment!« rief Smith. »Wir haben ein neues Spiel. Wollen Sie mitmachen? Es geht darum, wer am schnellsten die Zeitungsarchive durchstöbert und die lustigste Überschrift findet. Es muß sich aber um eine echte Überschrift handeln, keine erfundene. Ich habe hier eine sehr gute aus dem Jahre 1962. Wollen Sie sie mal hören?«
»Okay«, antwortete Joe, der noch immer ziemlich verärgert war. Seine Gedanken kreisten immer wieder um Glimmung, er fühlte sich träge und ausgehöhlt. Automatisch rief er in die Muschel: »Lesen Sie Ihre Überschrift schon vor!«
»Elmo Plaskett versenkt den Giganten«, las Smith von seinem Zettel ab.
»Wer zum Teufel war denn Elmo Plaskett?«
»Er kam von den –«
»Ich muß jetzt gehen«, unterbrach ihn Joe und stand auf. »Ich muß mein Büro jetzt verlassen.« Er hängte ein. Ich muß nach Hause, sagte er zu sich, um meinen Sack mit den 25-Cent-Münzen zu holen!
4
Auf den Bürgersteigen der Stadt stand, gleichsam wie ein einziges, riesiges, keuchendes Tier die Masse der für keine Arbeit mehr Verwendbaren von Cleveland. Sie stand dort und wartete, wartete und schob sich zu einem zähe wabernden, traurigen Klumpen zusammen. Joe Fernwright, seinen Sack mit den Münzen über die Schulter gehängt, rieb sich an ihren Leibern, als er sich den Weg zur Filiale von Mr. Job bahnte. Er spürte den vertrauten, essigartigen, alles durchdringenden Geruch, den sie ausströmten und fühlte fast körperlich die überhitzte und traurige Atmosphäre, die alles beherrschte. Von allen Seiten starrten ihre Augen auf seine Bewegungen, die ihn durch ihre Zielgerichtetheit von der Menge abhoben.
»Bitte lassen Sie mich durch«, sagte er zu einem schlaksiger. Jugendlichen, der wie ein Mexikaner aussah. Der Junge war direkt vor ihm in der Menge eingekeilt.
Der Junge blinzelte nervös mit den Augen, rührte sich aber nicht von der Stelle. Er schaute auf Joes Asbestsack. Zweifellos wußte er, was darin war und wohin Joe damit gehen wollte.
»Kann ich bitte vorbei?« wiederholte Joe. Dann blickte er sich um und sah, daß die Menge sich hinter ihm geschlossen hatte. Er steckte in einer Sackgasse, die ihm weder vorne noch hinten eine Rückzugsmöglichkeit freiließ. Gleich greifen sie nach meinen Münzen, dachte er. Er verspürte Herzschmerzen, so als sei er auf einen Hügel gestiegen, den letzten Hügel vor dem Tode, einen schrecklichen, mit Totenschädeln übersäten Hügel. Von allen Seiten starrten ihn leere Augenhöhlen an. Alles um ihn herum schien merkwürdig verzerrt. Sie können nicht mehr warten, dachte er, sie müssen sie jetzt haben.
Der Mexikaner sagte: »Darf ich mal Ihre Münzen anschauen?«
Joe wußte nicht, was er tun sollte. Die Augenhöhlen um ihn herum übten einen schrecklichen Sog auf ihn aus. Er spürte förmlich, wie sie ihn und seinen Asbestsack verschlangen. Ich schrumpfe in mich zusammen, dachte er überrascht. Wie kommt das? Er fühlte sich schwach und bemerkte, wie gleichzeitig der Ärger in ihm hochstieg. Aber er fühlte sich nicht schuldig. Schließlich war es sein Geld. Die Leute wußten es genau wie er. Und doch merkte er, wie er unter den leeren Blicken immer kleiner wurde. Als ob es egal ist, was ich mache, dachte er. Ob ich nun zu Mr. Job gehe oder nicht, was auch immer ich mache, was auch immer aus mir wird, für diese Leute wird sich dadurch nicht das Geringste ändern.
Eigentlich sollte es mir nichts ausmachen, dachte er. Die Leute hatten ihr Leben, und er hatte seines, und seines schloß nun einmal einen Sack sorgfältig und mühevoll gesammelter Metallmünzen ein. Können sie mich mit ihrer Trägheit und Unentschlossenheit anstecken, fragte er sich. Es ist ihr Problem, nicht meines, dachte er. Ich habe nicht vor, so wie
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