Joe von der Milchstraße
sie mit dem System herabzusinken. Dies ist mein erster Entschluß; die beiden Sonderzustellungsbriefe zu ignorieren und mich mit diesem Sack voll 25-Cent-Stücken auf den Weg zu machen. Dies ist der Beginn meines Ausbruchs, und es soll keine erneute Knechtschaft für mich geben!
»Nein!« sagte er.
»Ich werde auch keinen herausnehmen!« sagte der Junge.
Eine merkwürdige Regung überkam Joe Fernwright. Er öffnete den Sack, kramte darin herum und holte eine Münze heraus. Er hielt sie dem Mexikaner hin. Als der Junge sie annahm, tauchten plötzlich von überallher Hände auf; der Ring offener Augen war zu einem Ring offener Hände geworden. Merkwürdigerweise lag keine Gier in den Bewegungen; keine der Hände versuchte, ihm den Sack zu entreißen. Die Hände waren einfach ausgestreckt und warteten. Warteten ruhig und vertrauensvoll, so wie er selbst früher auf Post gewartet hatte. Schrecklich, dachte Joe. Diese Leute glauben, ich gebe ihnen ein Geschenk, als ob sie gewartet hätten, daß das Universum ihnen eins gibt. Das Universum hat ihnen ihr ganzes Leben lang nichts geschenkt, sie haben sich genauso stumm wie in diesem Moment damit abgefunden. Sie sehen mich als eine Art übernatürlicher Gottheit. Aber ich muß so schnell wie möglich weg von hier! Ich kann nichts für sie tun.
Aber mit Verwunderung stellte er fest, daß er trotz dieser Gedanken immer wieder in den Sack griff und eine Münze nach der anderen in die leeren Hände der Leute legte.
Über ihnen tauchte plötzlich mit lautem Pfeifton ein Polizeikreuzer auf, der sich langsam wie ein großer Deckel über sie senkte. Jeder der beiden Insassen trug eine glänzende Uniform und einen Helm. Sie hielten Laserstrahler in den Händen. »Lassen Sie den Mann durch!« rief einer der beiden Polizisten.
Der Leiberwall um Joe wich. Die ausgestreckten Hände gingen zurück als verschwänden sie in eine starre Dunkelheit.
»Bleiben Sie nicht da stehen!« sagte der andere Polizist mit schneidender Stimme zu Joe, »machen Sie, daß Sie wegkommen! Bringen Sie die Münzen hier weg, oder ich schreibe Ihnen eine Verwarnung, nach der Ihnen keine Ihrer verdammten Münzen übrigbleibt!«
Joe ging weiter.
»Was bilden Sie sich eigentlich ein?« rief der andere Polizist aus dem Kreuzer, der Joe folgte und direkt über seinem Kopf schwebte. »Sie halten sich wohl für eine Art Privatstiftung zu philantropischen Zwecken, was?«
Joe sagte nichts und ging weiter.
»Ich befehle Ihnen in meiner Eigenschaft als Beamter der Staatsgewalt, meine Frage zu beantworten!« rief der Polizist.
Joe griff in seinen Asbestsack und nahm eine Münze heraus. Er hielt sie hoch und reichte sie dem Polizisten. Zugleich stellte er erschreckt fest, daß nur noch ein paar Münzen übriggeblieben waren.
Nun sind meine Münzen weg, dachte er. Also bleibt mir nur noch ein Ausweg: Die Rohrpost und was sie mir in den letzten beiden Tagen gebracht hat. Ob ich will oder nicht, nach dem, was ich soeben gemacht habe, bleibt mir keine andere Wahl.
»Warum haben Sie mir die Münze gegeben?« fragte der Polizist.
»Nehmen Sie sie als Trinkgeld!« antwortete Joe. Im selben Moment traf ihn der Betäubungsstrahl mitten zwischen die Augen. Er spürte noch den stechenden Schmerz, bevor er das Bewußtsein verlor.
Als er erwachte, erkannte er als erstes, daß er sich auf einer Polizeistation befand. Ein junger, schlanker Polizeioffizier mit blonden Haaren, blauen Augen und einer protzigen Uniform trat auf ihn zu und sagte: »Wir werden Sie nicht aufschreiben, Mr. Fernwright, obwohl Sie sich eines Verbrechens gegen das Volk schuldig gemacht haben.«
»Gegen den Staat«, sagte Joe. Er saß vornübergebeugt und rieb sich die Stirn, um den Schmerz zu lindern. »Nicht gegen das Volk!« brachte er mühsam hervor. Er schloß seine Augen und fühlte, wie der Schmerz von der Stelle aus, an der der Strahl ihn getroffen hatte, seinen ganzen Körper überflutete.
»Was Sie da gerade sagten, stellt selbst schon ein Kapitalverbrechen dar. Wir könnten Sie auch deswegen noch aufschreiben. Wir könnten Sie sogar dem Politischen Kontrollbüro übergeben als einen Feind der Arbeiterklasse, der an einer geheimen Verschwörung teilgenommen hat mit dem Ziele, gegen das Volk und seine Diener, also uns, zu agitieren. Aber Ihr bisheriger Lebenslauf –« Er studierte Joe mit professioneller Intensität. »Ein gesunder Mensch verteilt nicht plötzlich Münzen an wildfremde Leute!« Der Polizist prüfte ein Dokument, das
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