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Joe von der Milchstraße

Joe von der Milchstraße

Titel: Joe von der Milchstraße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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gegessen und eine Tasse koffeinfreien Kaffee (nur koffeinfreier Kaffee war gesetzlich erlaubt) getrunken hatte, sagte er zu Glimmung gewandt: »Ich glaube nicht, daß Sie mich verstehen. Jemand wie Sie –«
    »Wie bin ich denn?« unterbrach ihn Glimmung.
    »Wissen Sie das nicht?« fragte Joe.
    »Keine Kreatur kennt sich selbst«, sagte Glimmung. »Auch Sie kennen sich nicht. Sie haben nicht das geringste Wissen um Ihre grundsätzlichen Möglichkeiten und Fähigkeiten. Wissen Sie, was es für Sie bedeuten wird, Heldscalla zu heben? Alles, was bisher an Möglichkeiten in Ihnen nur latent vorhanden war, nur geschlummert hat, alles das wird aktualisiert, wird Wirklichkeit. So wird es bei jedem sein, der sich dieser Aufgabe verschrieben hat, bei allen, die von hunderten in der Galaxis verstreuten Planeten zusammengekommen sind. Sie alle werden zum erstenmal wirklich sein. Sie haben es noch nie erlebt, was es bedeutet, zu sein, Joe Fernwright! Sie existieren bloß! Sein bedeutet machen. Und wir werden eine großartige Sache machen, Joe Fernwright!« Glimmungs Stimme klang wie Stahl.
    »Sind Sie hierhergekommen, um mir meine Zweifel auszureden?« fragte Joe. »Sind Sie aus diesem Grund am Raumflughafen? Haben Sie Angst, daß ich meine Meinung ändere und in letzter Sekunde aussteige?« Nein, dachte Joe, das kann nicht der Grund sein. So wichtig bin ich für ihn nicht. Nein, Glimmung, der sich über fünfzehn Welten zugleich erstreckte, würde sich nicht dazu herablassen, das wankende Vertrauen eines armseligen Töpfers aus Cleveland wieder aufrichten zu wollen; Glimmung hatte Wichtigeres zu tun, es gab größere Dinge.
    »Dies ist ein ›größeres Ding‹«, sagte Glimmung.
    »Warum?«
    »Weil es keine kleinen Dinge gibt. Genau, wie es kein kleines, unwichtiges Leben gibt. Das Leben einer Spinne ist genauso groß wie Ihres, und Ihres ist genauso groß wie meins. Ein Leben ist ein Leben. Sie möchten genauso leben, wie ich leben möchte. Die sieben Monate, die Sie gewartet haben, waren die Hölle für Sie. Jeden Tag haben Sie auf das gewartet, was Sie brauchten … auch eine Spinne wartet so. Denken Sie an die Spinne? Joe Fernwright! Sie webt ein Netz. Dann spinnt sie eine kleine Seidenhöhle am Ende des Netzes und setzt sich hinein. Sie hält Fäden, die zu jedem Teil des Netzes führen, sodaß sie sofort weiß, wenn etwas zu fressen, etwas, das sie zum Leben braucht, ins Netz geraten ist. Dann wartet sie. Ein Tag, zwei Tage vergehen. Eine Woche vergeht, sie wartet weiter; sie kann nichts tun als warten. Der kleine Fischer in der Nacht … und vielleicht kommt etwas, und sie lebt, oder es kommt nichts, und sie wartet weiter und denkt: ›Es wird nicht mehr rechtzeitig kommen. Es ist zu spät.‹ Und sie hat recht behalten: sie stirbt, während sie wartet.«
    »Aber für mich«, sagte Joe, »kam es noch rechtzeitig.«
    »Ich kam«, antwortete Glimmung.
    »Wählten Sie mich aus –« Er zögerte – »aus Mitleid?«
    »Das hätte ich nie getan!« sagte Glimmung. »Die Hebung erfordert großes Können, das Können, das Wissen und die Geschicklichkeit vieler Wissenschaftler, Handwerker und Künstler. Haben Sie noch die Scherbe bei sich?«
    Joe holte das kleine, wunderschöne Bruchstück aus seiner Manteltasche. Er legte es auf die Theke, neben die leere Suppenschale.
    »Davon gibt es noch tausende«, sagte Glimmung. »Sie haben vielleicht noch hundert Jahre zu leben. In hundert Jahren werden Sie nicht fertig. Sie werden die schönen kleinen Scherben vor sich haben, bis Sie tot sind. Ihr Wunsch wird erfüllt werden: Sie werden sein bis zu Ihrem Ende. Und, wenn Sie einmal gewesen sind, werden Sie für immer existieren.« Glimmung schaute auf die Uhr, die sein menschliches Handgelenk umspannte. »Dir Flug wird in zwei Minuten aufgerufen.«
    Nachdem Joe an seine Liege festgeschnallt war, und man ihm den Druckhelm am Kopf befestigt hatte, drehte er sich ein wenig auf die Seite, um festzustellen, wer sein Sitznachbar war.
    ›Mali Yojez‹ stand auf dem kleinen Aufklebeschild. Er schielte zu seinem Nachbarn herüber und stellte fest, daß es sich um eine zweifellos nicht terranische, aber humanoide Frau handelte.
    Die ersten Rückstoßraketen zündeten und das Schiff stieg auf.
    Ihm wurde mit einem Mal voll bewußt, daß er noch nie die Erde verlassen hatte. Die Last auf seinem Körper wurde immer schwerer. Dies ist kein Flug von New York nach Tokio, sagte er keuchend zu sich selbst. Mit einer unsäglichen Kraftanstrengung schaffte

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