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Joe von der Milchstraße

Joe von der Milchstraße

Titel: Joe von der Milchstraße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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so ist, dann handelt es sich um Majolicakeramik. Man nennt es im allgemeinen Zinnemaille. Wie die Delfter Keramikwaren.« Er rieb mit dem Daumen über die Oberfläche des Topfes. »Es fühlt sich an wie Sgraffito mit einer Bleiglasur. Sieh mal: Das Muster ist in den Überzug hineingeritzt worden, wodurch die Farbe darunter zum Vorschein gekommen ist. Wie ich schon sagte, ist es ein Volutkrater … demnach können wir aller Wahrscheinlichkeit nach auch damit rechnen, Psykter und Amphoren zu finden; wir müssen bloß den Korallenwuchs irgendwie entfernen. Dann werden wir ja sehen, was darunter zum Vorschein kommt.«
    »Ist es ein guter Topf?« fragte Mali. »Weiß du, ich finde ihn auf seine Art entzückend. Aber du als Experte –«
    »Er ist wundervoll«, sagte Joe. »Das Rot der Glasur ist wahrscheinlich aus reduziertem Kupfer; das heißt, die Glasur ist im Brennofen unter reduzierende Atmosphäre gesetzt worden. Das Gelb erhält man durch Antimon. Das gibt, wie du siehst, ein herrliches Gelb.« Es ist immer wieder die Farbe der Glasur, die mich am meisten fasziniert, dachte er. Das Gelb, das Blau. Das wird sich wohl nie bei mir ändern.
    Es kommt mir fast so vor, dachte er weiter, als hätte jemand den Topf absichtlich so hingelegt, daß ich ihn unweigerlich finden mußte. Immer wieder rieb er über die Oberfläche. Er spürte die Einzigartigkeit dieses Topfes fast mehr durch seinen Gefühlssinn als durch bloßes Betrachten. Hat Glimmung ihn hierherbringen lassen? fragte er sich.
    »Ist in neuester Zeit etwas von der Korallenschicht entfernt worden?« wandte er sich an Mali. »Es kommt mir merkwürdig vor, daß er nur teilweise bedeckt war.«
    Mali befühlte den Topf eine Weile, wobei sie seine Oberfläche prüfte und die der Korallenschicht, die ihn am Grund festhielt. Dabei sah Joe sich das Muster, das in die Oberfläche eingeritzt war, näher an. Es war eine aus zierlichen Bildern zusammengesetzte Szene. Der Stil war noch feiner, noch zierlicher als der Istoriatostil Urbinos. Durch den Korallenbewuchs war nicht jedes Bild sichtbar. Was kann die Szene nur bedeuten, fragte er sich nachdenklich. Schließlich war er doch darin geübt, fehlende Segmente bei einem Topf nachzuempfinden und einzubauen. Es schien sich um irgendeine Begebenheit zu handeln, die auf dem Topf dargestellt werden sollte. Nachdenklich starrte er auf den Topf.
    »Mir gefällt das viele Schwarz auf dem Topf nicht«, sagte Mali unvermittelt. »Alles Schwarze hier unten untergräbt mein Sicherheitsgefühl.« Nachdem sie den Topf ausreichend geprüft hatte, schwamm sie ein Stück von ihm weg. »Können wir jetzt endlich nach oben gehen?« bat sie mit nervöser Stimme. Ihre innere Unruhe wuchs mit jeder Sekunde. »Ich habe nicht vor, länger hier unten zu bleiben und mein Leben für einen verdammten Topf freiwillig aufs Spiel zu setzen. So wichtig sind Töpfe nun auch nicht!«
    »Was hat deine Untersuchung ergeben?« fragte Joe.
    »Innerhalb der letzten sechs Monate muß jemand einen Teil des Korallenbelages entfernt haben.« Sie brach ein weiteres Stück von der Schicht ab. »Wenn ich meine Werkzeuge habe, ist es eine Sache von Minuten, den Belag vollkommen zu entfernen.«
    Joe konnte nun mehr von der eingeritzten Szene erkennen. Das erste Feld zeigte einen Mann, der allein in einem leeren Zimmer saß. Das nächste zeigte ein Langstreckenraumschiff, wie es im Handelsverkehr benutzt wurde. Das dritte Bild zeigte einen Mann – offenbar derselbe wie auf dem ersten – beim Fischen; er zog gerade einen riesigen schwarzen Fisch aus dem Wasser. Es war die schwarze Stelle, die Mali nicht gefallen hatte. Das nächste Feld war zu sehr mit Korallen bedeckt, als das man etwas hätte erkennen können. Aber es mußte noch etwas darunter sein, vielleicht noch ein oder zwei Felder. Die Szene mit dem riesigen schwarzen Fisch war nicht die letzte; das stand fest.
    »Es ist eine Feuerglasur«, sagte Joe geistesabwesend. »Wie ich schon sagte, mit reduziertem Kupfer. Komisch, an manchen Stellen sieht es fast so aus wie eine ›Totenblatt-Glasur‹; wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich glatt –«
    »Du verdammter Pedant!« rief Mali wütend. »Du elender Nichtskönner! Ich habe es satt! Ich gehe jetzt hoch!« Sie stieß sich ab, löste das Kabel, das sie miteinander verband, von ihrem Gürtel und war bald außer Sichtweite. Ein paarmal noch sah Joe ihre Lampe über sich aufblitzen. Nun war er allein mit dem Topf, in der Nähe der schwarzen Kathedrale! Es

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