Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief
draußen ganz weiß gewesen. Jetzt war alles verändert. Verblüfft starrte er aus dem Fenster. Vor ihm breitete sich das Meer aus. Es war blau und grün und wechselte die Farbe in den Sonnenstrahlen. Weit weg am Horizont sprangen Delfine. Unter dem Fenster war der Strand. Ein Fischerboot steuerte aufs Land zu. Braune Männer paddelten in der Brandung. Das Schiff ritt auf den Wellenkämmen. Ganz hinten am Steuerruder stand jemand, den er kannte. Es war Simon. Pitcairn Island, dachte er. Wir haben es also geschafft. Jetzt bin ich hier. Und Simon ist gesund geworden und hat Samuel und mich begleitet. Er öffnete das Fenster. Da hörte er jemanden seinen Namen rufen.
Als er die Augen aufschlug, konnte er das Gesicht vor sich erst nicht erkennen. Dann erkannte er Samuel. Aber er kümmerte sich nicht um ihn. Er wollte weiterschlafen. Er wollte wieder zurück in den Traum. Jemand hob ihn hoch. Er dachte, es sei eine Welle. Er trieb in dem warmen Wasser. Vielleicht ritt er auf einem der Delfine, die er eben gesehen hatte . Er schlief tief. Wollte nicht erwachen. Aber jemand schüttelte ihn. Er versuchte sich zu wehren. Aber der Jemand schüttelte weiter. Schließlich musste er die Augen öffnen. Jetzt sah er es deutlich. Es war Samuels Gesicht, das sich über ihn beugte. »Was treibst du da?«, sagte Samuel. »Du hättest ja erfrieren können hier unten auf dem Hof. Was wäre passiert, wenn ich nicht nach Hause gekommen wäre?«
Langsam kehrte die Erinnerung zurück. Joel merkte, dass er in Samuels Bett lag. Am Fußende sah er das kleine Stück Teppich. Und er hatte eine Wärmflasche auf dem Bauch. Trotzdem fror er.
Er versuchte zu überlegen, was passiert war. Er hatte sich hingelegt und er musste eingeschlafen sein. Er sah in Samuels Gesicht. Seine Augen waren nicht rot. Und er roch nicht nach Schnaps.
»Du hättest erfrieren können«, wiederholte Samuel. »Das wäre am besten gewesen«, sagte Joel. »Dann wärst du die ganzen Schwierigkeiten los gewesen.« »So was darfst du nicht sagen«, sagte Samuel. Joel sah, dass seine Augen feucht waren. »Warum bist du zurückgekommen?«, fragte er. Samuel schüttelte den Kopf.
»Ich bin dahin gegangen, wohin ich wollte«, sagte er. »Aber plötzlich konnte ich nicht bleiben. Ich weiß nicht, was es war. Ich bin nach Hause gegangen. Und da hast du ganz eingeschneit auf dem Hof gelegen. Du hättest ja erfrieren können. Verstehst du das nicht? Was wäre passiert, wenn ich nicht so schnell zurückgekommen wäre?« »Was wäre dann passiert?«, fragte Joel zurück.
Samuel gab keine Antwort. Er schüttelte nur den Kopf. Joel war müde. Er legte sich im Bett zurecht. So schnell wie möglich wollte er in seinen Traum zurückkehren. Und Samuel war da. Er war wiedergekommen.
Am Morgen wachte Joel früh auf. Er lag in Samuels Bett und versuchte sich zu erinnern, was passiert war. Plötzlich war er hellwach. Er war auf dem Hof eingeschlafen. Und er wäre fast erfroren. Er tastete seinen Körper unter der Decke ab. Er wackelte mit den Zehen und ballte die Fäuste. Er hatte sich also nichts erfroren. Dann stand er auf und zog Samuels große Pantoffeln an.
Samuel lag in Joels Bett. Joel dachte, das wäre vielleicht das Beste, wenn sie ein für alle Mal den Platz tauschten. Dann ging er in die Küche. Durchs Fenster sah er, dass es schneite.
Er sah auch noch etwas anderes.
Da unten auf dem Hof stand das Bett. Und es war weiß. Die Matratze hatte Samuel liegen lassen. Fast sah es aus, als ob dort ein Mensch läge und schliefe.
Joel bekam Angst. Was hatte er eigentlich getan? Er hätte jetzt tot sein können. Genauso tot wie Lars Olsson. Und genauso alt. Wenn Samuel nicht zurückgekommen wäre. Samuel hatte es sich anders überlegt. Er hatte nicht wieder angefangen zu trinken. Deswegen lag nur die Matratze begraben unterm Schnee.
Joel setzte sich an den Küchentisch. Zündete eine Kerze an. Der Geruch nach Stearin wirkte beruhigend. Oft hatte er gedacht, dass Mama Jenny bestimmt wie eine brennende Kerze gerochen hat.
Es war noch nicht mal sechs. Bald würde Samuel aufwachen.
Joel stellte den Kaffeekessel auf. Dann zog er sich an.
Als der Kaffee fertig war, hörte er, wie sich Samuel dort drinnen bewegte. Er kam in die Küche.
»Der Kaffee ist fertig«, sagte Joel.
Samuel sah ihn an.
»Wie geht's dir?«, fragte er.
»Gut.«
Dann sagten sie nichts mehr. Das war nicht nötig. Samuel und Joel konnten sich im Schweigen genauso gut unterhalten wie mit Worten. Wenn sie sich Mühe
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