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JörgIsring-UnterMörd

Titel: JörgIsring-UnterMörd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Ziegelstein zurück an seinen Platz. Das unbebaute
Grundstück in Paddington war gut zu überblicken, deshalb hatten sie es
ausgewählt. Auf der langen Fahrt durch die City hierhin ließen sich eventuelle
Verfolger entdecken und abhängen. Bisher war das nie nötig gewesen. Eine
halbhohe, verfallene Mauer zog sich um Teile des Geländes, auf dem bald eine
Siedlung entstehen sollte. Dann würden sie sich nach einem anderen Ort umsehen
müssen. Hinter einem Ziegel aus dem lockeren Mauerwerk platzierte Christa ihre
Nachrichten, wenn es etwas zu berichten gab. Ihr Signal war die Farbe Rot.
    Einmal in der
Woche fuhr Krauss durch die Garden Lane, wo Christa als Haushälterin arbeitete.
Gab es etwas mitzuteilen, stand etwas Rotes im Fenster - ein Strauß Rosen,
Weihnachtssterne, eine rote Kerze. Dann machte Krauss sich auf den Weg nach
Paddington. Von Anfang an hatten sie vereinbart, persönliche Kontakte
möglichst zu vermeiden. Für die Zukunft des Jungen war die Isolation entscheidend.
Auch das Telefon sollte nur in Notfällen benutzt werden.
    Dies war ein
Notfall, dachte Krauss. Heute Morgen hatte er die Rosen im Fenster gesehen und
war direkt herausgefahren. Seit Jahren schon hielten sie Funkstille, lief alles
problemlos. So lange lag die letzte Nachricht zurück, dass er sich fragte, ob
die Mauer überhaupt noch stand und ob er den richtigen Stein finden würde.
    Was Christa ihm mitzuteilen hatte, wagte er sich kaum vorzustellen. Dass
es ihn nicht kalt lassen würde, damit hatte er gerechnet - mit Krankheit oder
Geldsorgen, aber nicht mit Bensler.
    Krauss fuhr mit
seinem kleinen Riley Coupe zurück in die Innenstadt, achtete jedoch kaum auf
den Verkehr. Christas Nachricht hatte alte Wunden wieder aufgerissen. Bensler
war eine davon. Eine skrupellose Bestie, mordlustig und sadistisch. Einmal
hatte Krauss miterleben müssen, wie Bensler ungerührt einer schwangeren Frau
die Brustwarzen abgeschnitten hatte, um sie zum Reden zu bringen. Es hatte ihm
Freude bereitet. Wo der Kerl auftauchte, gab es früher oder später ein paar
Leichen. Die andere Wunde aber schmerzte weit mehr. Bensler zählte zu Edgars
besten Männern. Früher hatte auch Krauss dazugehört. Doch das war es nicht
alleine. Edgar hatte Krauss verführt, obwohl er ihn hätte beschützen müssen,
weil in ihren Adern dasselbe Blut floss. Edgar war Krauss' älterer Bruder, sein
verkommener, widerwärtiger, hinterhältiger Bruder. Es gab niemanden, den
Krauss mehr hasste. Seit Jahren wünschte er sich, Edgar all das heimzuzahlen,
was der ihm angetan hatte. Sollte es doch noch gelingen? Spielte ihm die
Vorsehung Bensler in die Hände? Oder war es eine weitere Prüfung, um seine
Schuld gegenüber Hanna abzutragen? Er wusste es nicht. Er wusste nur eines:
Edgar hatte Hanna auf dem Gewissen. Und das würde er ihm nie verzeihen.
    Krauss versuchte, seinen Verstand zusammenzuhalten. Auf wen hatte es
Bensler in London abgesehen? Natürlich war er im Auftrag seines Bruders hier,
als Abgesandter der »Söhne Odins«. Krauss schüttelte den Kopf. Damals hatte er
an all das geglaubt, an die Mythen, daran, dass sie ihr germanisches Erbe
antraten. Heute konnte er es nicht mehr begreifen. Den Namen, die »Söhne
Odins«, hatte sich Edgar ausgedacht. Weil sie »die Besten der Besten« waren,
das Resultat einer kompromisslosen rassischen Auslese. Sie durften ungestraft
tun, was andere nicht einmal zu denken wagten, denn sie genossen höchsten,
allerhöchsten Schutz. Niemand pfuschte ihnen ins schmutzige Handwerk, weil sie
offiziell gar nicht existierten, obwohl sie ab 1933 organisatorisch lose der
Gestapo zugeschlagen waren. Intern hieß Edgars Truppe »das elfte Dezernat« -
auf dem Papier besaß die Gestapo exakt zehn Abteilungen. Doch die Männer zogen
die Bezeichnung »Söhne Odins« vor. Es verlieh ihnen etwas Geheimnisvolles,
Düsteres, Beängstigendes. Bensler war einer derjenigen, die es genossen,
gefürchtet zu werden. Auf wen hatte er es in London abgesehen? Dass die »Söhne
Odins« Krauss auf die Spur gekommen waren, schien ihm sehr unwahrscheinlich.
Edgar hielt ihn für tot, Hanna hatte er selbst sterben sehen. Das elende
Schwein!
    Vielleicht hatte
jemand Krauss doch in London erkannt und die Deutschen informiert. Dann hätte
auch Edgar davon erfahren, da war sich Krauss sicher. Irgendwann war bei den
»Söhnen Odins« alles Wissenswerte aufgelaufen. Sonst hätten sie nicht so
effektiv arbeiten können. Trotzdem hielt er diese Möglichkeit für unwahrscheinlich.
Wenn

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