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JörgIsring-UnterMörd

Titel: JörgIsring-UnterMörd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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eine Zeit gegeben, in der er es hätte werden
können. Müßig, darüber nachzudenken, denn Hanna hatte ihm rechtzeitig die Augen
geöffnet. Und ihre bald darauf für immer geschlossen. Es war soweit, diese
Schuld zu begleichen.
    Krauss parkte den
Wagen am Anfang der Canal Street und ging zu Fuß zur angegebenen Adresse. Er
schritt schnell aus, hastete wie ein Angestellter zurück an seinen
Arbeitsplatz. Es war zwei Uhr am Nachmittag. Die Canal Street war im hinteren
Teil eine Wohnstraße, nur im vorderen Bereich hatten sich ein paar Geschäfte
und Büros angesiedelt. Ungefähr auf der Höhe von Nummer 164 erspähte er schräg
gegenüber ein Haus, dessen Fenster als einzige in der Mittagshitze nicht
geöffnet waren. Er konnte sein Glück kaum fassen, traute dem Braten aber nicht.
Zielstrebig ging er über die Straße auf das zweistöckige Gebäude zu, nestelte
dabei in der Tasche nach seinen Dietrichen.
    Vor der Tür zog er die gebogenen Drähte aus der Tasche, führte sie ins
Schloss und suchte den Druckpunkt. Es war eine Sache von wenigen Sekunden,
gerade so lange, wie jemand braucht, der einen Schlüssel benutzt. So etwas
lernt man in Deutschland, dachte er, und es funktioniert überall. Drinnen
schloss er leise die Tür. Krauss hatte sich so lautlos wie möglich verhalten,
denn mit seiner Einschätzung, dass das Haus zurzeit verlassen war, konnte er
danebenliegen.
    Reglos stand er
im Flur, horchte. Er hörte nichts, was auf menschliche Anwesenheit schließen
ließ. Nachdem der erste Adrenalinschub abgeflaut war, nahm er einen leicht
muffigen Geruch wahr, Stoffe, die in der Hitze ausdünsteten, was sie über
Jahre aufgesogen hatten. Die Bewohner waren verreist, verzogen, verstorben, was
kümmerte es ihn. Hauptsache, sie waren weg. Krauss atmete wieder normal. Es
fing gut an. Trotzdem zog er die schallgedämpfte Walther aus dem
Schulterhalfter. Er hielt die Waffe nach unten, führte sie eng am Bein und
betrat einen Raum nach dem anderen. Alles deutete darauf hin, dass schon einige
Tage niemand mehr das Haus betreten hatte.
    Nirgendwo lag
etwas herum, der Kühlschrank war bis auf wenige haltbare Sachen so gut wie
leer, die Dusche blitzblank geputzt. Krauss stieg die Treppe hinauf in den
ersten Stock. Schlafzimmer, Kinderzimmer, Arbeitszimmer. Wer hier an was arbeitete,
interessierte ihn nicht. Ihm kam eine derart geordnete Existenz ohnehin
vollkommen fremd vor. Ein Leben, wie es in diesem Haus geführt wurde,
unauffällig, unbescholten, vielleicht sogar glücklich, war ihm verwehrt
geblieben.
    Er steckte die Waffe wieder weg. Vom Kinderzimmer aus ließ sich Haus Nummer
164 perfekt einsehen. Er zog sich einen Stuhl ans Fenster und setzte sich so
hin, dass er von außen nicht zu entdecken war, trotzdem aber beobachten
konnte, wer gegenüber ein- und ausging. Ideal für das Opernglas, das er noch
eingesteckt hatte. Drei von vier Fenstern in Benslers neuem Domizil waren weit
geöffnet, zwei in der oberen, eines in der unteren Etage. Böen wehten die
Vorhänge ab und an in die Räume, so dass Krauss mit dem Fernstecher Details
erkannte. Hinter dem rechten oberen Fenster einen Tisch und zwei Stühle, über
einer Lehne hing eine Hose. Das untere Fenster schien zur Küche zu gehören,
Krauss registrierte eine Anrichte. Nur die Bewohner fehlten. Keine Spur von
Bensler. Dass Christa ihn in das Haus hatte gehen sehen, musste nicht bedeuten,
dass er dort auch wohnte. Immer noch hoffte Krauss, dass sie vielleicht doch
nur ein Phantom verfolgt hatte. Aber Christa war nicht der Typ Frau, der auf
Trugbilder hereinfiel.
    Er stützte die Füße auf die Heizung und beobachtete das obere Fenster.
Plötzlich bewegte sich etwas. Tatsächlich - er sah stark behaarte Beine, die in
einer weißen Unterhose steckten. Darüber war ein Teil des Oberkörpers zu sehen,
ebenfalls in weißer Unterwäsche. Der Vorhang verdeckte Brust und Kopf.
    Krauss hielt den Atem an. Wo blieb der Wind, wenn man ihn brauchte? Der
Mann entfernte sich wieder. Krauss fluchte. Er wartete weiter. Eine Stunde
verging. Der Nachmittag verstrich allmählich. Krauss hatte gehofft, alles bei
Tageslicht erledigen zu können, im Schutz des alltäglichen Treibens. Die Nacht
würde jedes Geräusch weit hinaustragen. Jetzt lief ihm die Zeit davon. Er
konnte nicht einfach auf Verdacht in das Haus stürmen. Er musste sicher sein.
Hundertprozentig.
    Plötzlich packte jemand im oberen Raum die Vorhänge, zog sie beiseite. Der
Mann im Unterhemd trat ans Fenster, schaute die Straße

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