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Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Titel: Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainald Goetz
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Jahren von zwei Hochstaplern, die sich selbst als Dick und Doof vorstellten, geleitet, beide hatten an verschiedenen Stellen in die weitverzweigte alte Familie, der die Bank gehörte, eingeheiratet, Dick hieß eigentlich Graf Sittl, Doof war ein geborener Baron von Solling-Bleichen, und zusammen hatten sie für ihre Arbeit bei der Bank das Ziel identifiziert: die Bank so schnell und effektiv wie möglich auszuplündern, im Sinn eines von Graf Sittl bei Marx entlehnten Gedankens, was gegen den Besitz einer Bank zu sagen sei, solange von der Pleite ihrer Kunden wenn schon nicht die Bank selbst, so doch wenigstens die Chefs der Bank profitierten. VW sponserte das Turnier auf Sylt, um seinen Polo zu promoten. Die Veranstaltung war sehr wenig mondän, das Wetter war schlecht. Hinter weißen Holzgattern standen die Zuschauer zu leicht bekleidet in der eisigkalten Sylter Luft, die Reiter des Teams von VW trugen knallrote Trikots, das wenigstens ergab für Momente eine schöne Farbwirkung. Im Wind knatterten die Fahnen der Sponsoren, von VW und Rewe, von Henkell, Möbel Höffner und Saturn. Es schaute traurig aus. Die ganze Szenerie schrie: GEIZ IST GEIL . Sylt kam Holtrop schlimmer als Krölpa vor, eine Kloake für die Deppen und Dümmsten des Nordens. Vom Spielfeld her hörte man das Getrampel der galoppierenden Pferde und das Schnauben und Rotzen ihrer Nüstern. Der Wind jagte den Zuschauern mit seinen Böen den Sand in die Augen. Holtrop war von Baron Solling gerade der kurz zuvor wegen Geldproblemen bei VW ausgeschiedene Hartz- IV -Erfinder Prof. Dr. Peter Hartz vorgestellt worden, und Graf Sittl hatte den beiden gerade ein neues Glas Billigsekt gebracht, da hörte man Schreie vom Spielfeldrand und sah eines der Pferde erschreckt hochsteigen und wild mit den Vorderbeinen in den diesig verhangenen Himmel hineinschlagen. Der Reiter hatte Mühe, das Pferd zu halten, es war ein wunderschöner Rappe, der laut brüllte und scheute und immer neu hochstieg und den Reiter abzuwerfen versuchte. Gegen die herbeigeeilten Helfer wehrte sich das Pferd mit seinen fellbeschweiften, eisern beschlagenen Hufen und schlug auf die Leute, die das Pferd vergeblich zu bändigen und zu halten versuchten, immer wieder wütend ein. Schreie der Leute, brüllendes Wiehern des Pferdes, war das schon Babylon, die große Klage, das Kommen des letzten oder ersten Gerichts? Danach wollte Holtrop weg aus Hornum, weg von Sylt und nicht mehr so schnell dorthin.

XIV
    2006 . »Sylt ist furchtbar, Sylt gefällt mir nicht, suchen wir lieber etwas Schönes im Süden«, hatte Holtrop zu Mack gesagt, und das folgende Frühjahr über war Mack ein paar Mal an die Côte d’Azur gereist und hatte sich verschiedene Objekte zeigen lassen, in Monaco, Nizza, Cannes, aber die Gegend war eigentlich leergekauft und zugebaut, am schönsten war das Hinterland immer noch in St. Tropez, obwohl es auch dort inzwischen auf den Hügeln des Nordens von traurigen Billigsiedlungen scheußlicher, auf engstem Raum zusammengedrängter Kleinhäuser nur so wimmelte. Madame Prunelle, die für Mack in St. Tropez arbeitete, hatte in La Rouillère etwas Schönes im Angebot, was Mack gefallen hatte. Holtrop war dazugekommen undhatte moniert: »Aber da sieht man ja gar nichts!«, weil man nur Bäume, Landschaft und Himmel sah, aber nichts vom nahen Meer. Ein andermal war das Meer zu sehen, aber leider auch der Tennisplatz des Nachbarn. »Nein«, sagte Holtrop, »das ist nicht schön!« Dabei schaute er Mack an, und der nickte, als habe Holtrop völlig recht. »Kann man denn nicht vielleicht weiter oben«, sagte Holtrop zu Mme Prunelle, »für ein paar Millionen mehr?«, dazu machte er mit beiden Händen Bewegungen der Weitläufigkeit vor seinem Gesicht und eine Geste ins Land hinein und aufs Meer hinaus, da gingen die Augen der Maklerin zustimmend auf, »mais oui, oui!«, sie fuhren zu einem Anwesen in Bagary, einzeln auf einer Erhebung gelegen, von altem Baumbestand umgeben, Villa und Nebengebäude dick aufgemotzt und aufgespritzt im Neopalazzostyle. Das gefiel Holtrop, nur die Nähe des Golfplatzes war ihm unbehaglich. Und zwischen Villa und Pool stand eine dramatisch gewachsene, weit ausladende Kiefer, unter der Holtrop auf den Pool zuging, wobei er mit den Händen über dem Kopf nach der Sonne tastete, den erhobenen Befund kopfschüttelnd kommentierte und Mack und Mme Prunelle mitteilte: »Keine Sonne nachmittags hier, schlecht.« Es war April, es war schon warm, im Sommer würde man froh

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