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Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Titel: Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainald Goetz
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die konstitutionelle Wehrlosigkeit ihres Naturells zu einer Holtrop flehentlich um Zustimmung zu alledem bittenden Entschuldigung verband, was in einem kindlich entgleisten, gejagten Zusammenzucken ihres ganzen Gesichts kulminierte, verabschiedete sich Gabriele Heintzen wortlos von Holtrop und ließ sich von Mack weiterschleifen. Der Kellner mit dem Tablett offerierte Holtrop mit freundlicher Geste noch ein Glas, Holtrop dankte, stellte sein fast leergetrunkenes auf den Tisch der Syltianerinnen, wobei er den sogenannten Damen freundlich zunickte, nahm das nächste Glas vom Tablett und saugte versehentlich, weil das alles hier so unbeschreiblich angenehm und erfreulich für ihn war in diesem Augenblick, mit einem einzigen schlürfenden Schluck das ganze Glas Champagner in sich hinein auf. »Hach!, herrlich«, sagte Holtrop, stellte auch dieses Glas wieder auf den Tisch und ließ sich ins Offene hinaus treiben, den Hügel hinunter, gesellschaftswärts, wo die Leute in einem amphitheatrisch angelegten Halbrund versammelt waren, eine Musikband leise die lasche Wohlfühlmusik mit karibischem Einschlag spielte, die hierher passte, und Holtrop swingte da hin, um sich auch an der dortigen Bar noch einen Schluck Champagner zu holen. Auffallend war, wie viele Leute ihn im Vorbeigehen mit freundlichem Zuruf grüßten, »ich habe Sie gesehen!« sagten manche und zeigten mit dem Finger fröhlich in seine Richtung, sie meinten Holtrops Fernsehauftritt vor einigen Wochen bei Sabine Christiansen, auch das war ein Rat von Mack gewesen, »zier dich nicht, geh einfach mal hin!«, und auch dieser Rat von Mack war ja nun offensichtlich, wie Holtrop auf diesem Sommerfest hier dauernd erlebte, wieder einmal völlig richtig gewesen. Ähnlich war es mit dem Geld, das seit vergangenem Jahr, in dem Holtrop bei der Londoner Investmentfirma CAIN CORPS INC als Partner angefangen hatte, von dort her in einem sehr erfreulichen Übermaß auf ihn zu eindrängte, jährlich an die zehn Millionen Euro, die steueroptimiert von Mack angelegt werden mussten, und offenbar war das gelungen, denn im März des Jahres hatte Holtrop eine Rückausschüttung von nocheinmal fünf Millionen Euro zusätzlich zurückbekommen, die aus schwächeren früheren Jahren auf die neuesten Besitzfestgelder prozentual außerdem so angerechnet werden konnte, dass für das laufende, noch ertragreichere aktuelle Jahr auch die Verlustprämiendividende zum Ersten des Monats jeweils staatlicherseits schon zugewiesen, eingezahlt und überwiesen worden war, alles von Mack so erdacht, erfunden, errechnet und Holtrop, der immer wieder nur staunen konnte über Macks Finanzgenialität, zur Ratifikation vorgelegt, von Holtrop für richtig befunden und so unterschrieben. »Hier!«, sagte Mack und zeigte auf die Stelle, an der Holtrop unterschreiben musste, so dass, von Holtrops Unterschrift ermöglicht, die Gelder in die richtige Richtung zum Fließen kommen konnten. »Was halten Sie eigentlich von diesem Bodo Kirchhoff mit seiner Bierdeckelrevolution?« wurde Holtrop an der unteren Bar von einer fast unbekleideten Bewunderin gefragt. »Ich bin selbst kein Steuerfachmann«, antwortete Holtrop beschwingt, »aber ich glaube, dass Bundeskanzler Schröder mit seiner Skepsis diesem sogenannten Professor aus Heidelberg gegenüber schonrichtig liegt und außerdem auch eher unsere Interessen vertritt als die mir nicht immer ganz verständliche und inwiefern eigentlich überhaupt noch konservative Politik der gegenwärtigen CDU unter Vorsitz von Frau Dr. Merkel.« Holtrops Antwort, die er auf einem mitgedachten Fragezeichen hatte enden lassen, war aber zu lang gewesen und hatte performativ den Körper der Fragerin nach deren Ansicht offenbar zu wenig zugewendet behandelt, denn die Lust zu antworten war ihr vergangen, und sie hatte sich inzwischen schon zum nächsten Mann weitergedreht. »Alles so leicht heute«, dachte Holtrop und ging von der voll besetzten Bar des Amphitheatrons weiter bis hinunter zum See. Es wurde Abend, war aber immer noch sehr heiß. Einige Leute hatten sich ausgezogen und waren ins Wasser gesprungen und auf den See hinausgeschwommen. Aus der Ferne hörte man ihre Rufe und ihr Lachen, das Spritzen des Wassers, dazwischen die Flügelschläge der aus dem Wasser luftwärts sich erhebenden Großvögel und ihre Schreie. Holtrop setzte sich ins Gras und dachte darüber nach, wie lange die Einkünfte dauerhaft und in wie hohe Höhen hinauf noch steigen müssten, dass man selber, also

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