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Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Titel: Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainald Goetz
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Kedke, Benzinger, Lebers und die jüngeren Adjutanten, die weiter hinten standen, aus diesen Signalen schon Angebote zu einer vorauseilenden Unterwerfung unter das von Hombach demnächst eventuell Beabsichtigte werden ließen, und Bauer, 64 , der schräg hinter Hombach saß und seinen Text, den alle kannten, von sich gab, war an diesem Spektakel der Dynamik der Macht, das er bestens kannte, selbst auch noch einmal am Rand, als Nebenfigur und Zuschauer, beteiligt. Bauer kannte Hombach in der Rolle des aufmüpfigen Juniors, der sich im Rudel der Meute, die den Führenden jagte, sofort hervortat und an die Spitze biss. Aber jetzt war zum ersten Mal zu beobachten, wie Hombach, selbst als Führender eingerückt in die Isolation des Ersten, darauf reagieren würde, und zwar instinktiv physisch. Lässig lehnte Hombach an Bauers Schreibtisch. Freunde in London hätten ihm, sagte er, ohne sich zu Bauer nocheinmal umzudrehen, für die Zeit nach Binz schon lukrative Beratungsmandate in Aussicht gestellt, alle stünden bereit und warteten nur darauf, dass einer mit einem offenenWort Binz’ Kreditfiktionen in sich zusammenfallen lassen würde. Hombachs massige Gestalt blieb auch beim Reden bewegungslos ruhig, wie zuvor beim Zuhören, er war in seine Reaktionslosigkeit sicher eingepanzert, das Gesicht präsentierte ein Lächeln, dessen Stetigkeit und Starrheit etwas demonstrativ Fratzenhaftes hatte. Nur die Augen huschten, wobei sie hellwach die Situation durchsuchten, von Sprecher zu Sprecher, zwischen den Zuhörern herum und zum eben gerade Sprechenden, zu Lebers, zurück, um Reaktionen einzusammeln, anstatt selbst zu zeigen. Und Bauer, der Hombach nicht so sehr verachtete, als dass er ihn mit aller Gewalt als seinen Nachfolger verhindert hätte, was sicher möglich gewesen wäre, sah, wie Hombach das machte, und musste für diesen Augenblick des Übergangs zugeben: das macht er richtig so. Lebers hatte einen Witz gemacht auf Kosten von Zischler, dem Anführer der im drüberen Zimmer versammelten gegnerischen Fraktion, der Zischlers Intellektualität verhöhnte, war mit diesem Witz aber, weil er vom Kollektiv der Kollegen hier als zu billig bewertet und deshalb zur Lachreaktion nicht angenommen worden war, durchgefallen und legte jetzt sich selbst mit einem Blick, der Hilfe erbat, Hombach zu Füßen, wo der ihn aber gelangweilt liegenließ. Bauer sah, dass der Richtige ihm nachfolgen würde. Denn die Drohung, die Hombach in diesem Moment der Grausamkeit gegen Lebers aufblitzen ließ, hatten im nächsten Moment der Stille die Hombach eben noch gleichgestellten Vorstandskollegen mit Unterwürfigkeit und Angst, der Angst, wie Lebers blitzartig zur Null gemacht zu werden, beantwortet, darin aber auch als Führungsmethode widerspruchslos akzeptiert, was Bauer, von Hombachs Effektivität erheitert, abwarten ließ, weil dieser Machtmoment in seiner Klarheit ihm gefiel, bis er sich schließlich langsam bewegte, aus seinem Sitz heraus aufstand und sagte: »Gehen wirhoch, es ist schon fast elf.« Die Herren ließen Bauer vorgehen, nickten einander zu und gingen dann hinter Bauer her nach draußen. Und Hombach, der mit ausgebreiteten Armen allen bedeutet hatte, vor ihm zu gehen, verließ als letzter den Raum. Im Halbkreis versammelte sich die Gruppe vor der Türe und wartete, dass Hombach in ihre Mitte trat, seinen Leuten jetzt seinerseits zunickte und losging und dann nichts anderes tat als dies: den Gang entlangzugehen. Er ging ganz ruhig, voll Kraft, die Brust erhoben, sie war mit Energie geladen, vom Willen derer, die hinter ihm gingen, mit nach vorn und vorwärtsgetragen, seinem ersten großen Sieg entgegen, der bald vielleicht mächtigste Banker der Welt. Zumindest in Frankfurt.
    Bauer war noch eine Sekunde stehen geblieben. Er sah eine junge Frau, die zwei Türen weiter auf der anderen Seite des Gangs wartete, zu ihm herschaute und sehr attraktiv in diesem Augenblick auf ihn wirkte. Als er seinen Blick, den er langsam an ihr heruntergleiten hatte lassen, gerade voll Anerkennung abwenden wollte, um den Kollegen hinterherzugehen, hatte sie ihn aber spöttisch, mit einer offen höhnischen Blickzurückweisung, als alten Depp entlassen. Und das Tier Bauer spürte und wusste: ja, es ist aus, vielleicht alles, sicher das meiste. Zuletzt ging auch er den anderen hinterher auf die Aufzüge zu.

II
    Oben wartete niemand auf Bauer, niemand kam zu ihm her, deshalb trat er selbst an die Gruppe um Hombach heran und stellte sich dort dazu.

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