John Corey 03 - Nachtflug
auf meine Uhr und auf den Fährenfahrplan. Ich könnte die Fähre um halb sechs erreichen, wenn Joe senior nicht unverhofft nach Hause kam. »Richte ihr aus, dass sie sich mit mir um sechs bei Delmonico's auf einen Drink treffen soll«, sagte ich zu Harry.
»Warum rufst du sie nicht einfach an?«
»Warum gehst du nicht einfach hin und richtest es aus?«
»Darf ich denn rübergehen?«
»Yeah. Leer ein paar Papierkörbe aus.«
Er lachte. »Okay. Delmonico's, sechs Uhr.«
»Sieh zu, dass es unter euch bleibt.«
»Aha?«
»Danke.« Ich unterbrach die Verbindung.
Marie kehrte in die Küche zurück, setzte das Kind im Laufstall ab und schob ihm eine Flasche in den Mund. Sie zog ein Mobile mit Grinsegesichtern auf, das sich drehte und »It's a Small World« spielte. Ich hasse dieses Lied.
Sie goss uns frischen Kaffee nach und setzte sich.
»Er ist wirklich ein süßes Kind«, sagte ich.
»Willst du ihn haben?«
Ich lächelte, dann sagte ich: »Ihr seid also eingewiesen worden.«
»Yeah. Dieser FBI-Typ lässt uns alle vier ins Büro vom Hoteldirektor kommen und sagt, dass wir zwei Leute suchen, die Zeugen des Absturzes sein könnten und möglicherweise in diesem Hotel abgestiegen waren - im Bayview. Und woher wir das wissen? Weil eine Decke, möglicherweise aus diesem Hotel, von einheimischen Cops an einem Strand gefunden wurde, von dem aus man den Absturz sehen konnte. Das FBI erfuhr an diesem Morgen in aller Frühe von der Stranddecke, deshalb kam man auf die Idee, die örtlichen Hotels und Motels zu überprüfen und festzustellen, ob die Decke von dort stammt. Sie haben es schließlich auf das Bayview eingegrenzt. Kommst du mit?«
»Bislang schon.«
»Gut. Und was stimmt nicht an der Geschichte, die uns der FBI-Typ vorgesetzt hat?«
»An allem, was man vom FBI zu hören kriegt, stimmt irgendwas nicht«, erwiderte ich.
Sie lächelte. »Komm schon, John. Streng dich ein bisschen an.«
»Okay, warum macht jemand so ein Gewese wegen zwei weiterer Augenzeugen? Das stimmt daran nicht.«
»Richtig. Warum verschwenden wir zum Beispiel unsere Zeit und Arbeitskraft auf zwei Personen, die möglicherweise das Unglück vom Strand aus gesehen haben, wenn die Zeugen an der verfluchten Tür der Küstenwachstation Schlange stehen und das Hotline-Telefon ununterbrochen klingelt. Was ist so besonders an diesen Zeugen? Weißt du das?«
»Nein. Du?«
»Nein. Aber da ging es um noch was anderes.«
Es ging um den Objektivdeckel der Videokamera auf der Stranddecke, aber offenbar hatte das der FBI-Typ bei der Einweisung seiner Truppen nicht erwähnt. Dick Kearns wusste von den einheimischen Cops darüber Bescheid, aber anscheinend hatte Marie das Gerücht nicht gehört. Wenn man, wie bei jeder Ermittlung üblich, mit genügend Leuten gesprochen und die Informationen von allen Seiten durchleuchtet hat, nehmen die Dinge irgendwann Gestalt an. Aber weil Marie schlau war, hatte sie begriffen, dass es um irgendetwas anderes ging. »Wer war dieser FBI-Typ, der euch eingewiesen hat?«
»Ich hab's dir doch gesagt - keine Namen.« »Hast du den Typ gekannt?«
»Ein bisschen. Ein Hartmann, der sich für einen harten Hund hält.« »Klingt nach Liam Griffith.«
Sie lächelte. »Kein schlechter Name. Nennen wir ihn doch Liam Griffith.«
»Wer war bei ihm?«
»Zwei andere Typen, wie schon gesagt. FBIler, aber ich habe sie nicht gekannt, und sie wurden auch nicht offiziell vorgestellt. Sie saßen bloß da, während Griffith uns eingewiesen hat.«
Ich beschrieb Marie Mr. Ted Nash, verwendete dabei widerwillig den Ausdruck »gutaussehend«, und sie erwiderte: »Yeah ... ich meine, es ist fünf Jahre her, aber das klingt nach einem von denen. Wer ist das?“
Wider besseres Wissen, aber damit Marie fröhlich und bei der Stange blieb, sagte ich: »CIA.«
»Ohne Scheiß?« Sie schaute mich an und fragte: »Worauf bist du aus?«
»Das willst du nicht wissen.«
»Nein, will ich nicht. Aber ... vielleicht habe ich genug gesagt.«
Ich schaute zu dem Kind im Laufstall, dann wieder zu Marie. »Haben wir vor denen Angst?«
Sie antwortete nicht.
Höchste Zeit für eine kleine Ansprache. »Schau«, sagte ich, »wir leben in den Vereinigten Staaten von Amerika, und jeder Bürger hat das Recht und die Pflicht -«
»Heb dir das für die dienstliche Anhörung auf.«
»Mach ich. Wie wär's damit: Bist du zufrieden mit der offiziellen Ab Schlusserklärung zu dem Fall?«
»Darauf antworte ich nicht. Aber ich erzähle dir, was an diesem Tag im
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