John Corey 04 - Operation Wildfire
die inneren Organe und die Verletzungen interessiert, übersieht, aber ich bemerkte nichts Ungewöhnliches, nur Schmutz.
Ich warf einen Blick zu Kate, die sich ganz wacker zu halten schien, ging dann um den Tisch herum, ergriff Harrys rechte Hand und schaute sie mir an.
»Darf ich Ihnen mein Skalpell leihen?«, meldete sich eine Frauenstimme.
Kate und ich drehten uns um und sahen eine Frau in der Tür stehen, die OP-Kleidung trug. Sie war um die dreißig, zierlich, mit kurzen roten Haaren. Als sie näher kam, sah ich, dass sie Sommersprossen und blaue Augen hatte. Genau genommen war sie ganz niedlich, wenn man mal von der weiten blauen OP-Kleidung absah. »Ich bin Patty Gleason«, sagte sie, »die Bezirksleichenbeschauerin. Ich nehme an, Sie sind die Leute vom FBI.«
Ich streifte meinen Latexhandschuh ab und bot ihr die Hand zum Gruß. »Detective John Corey, Antiterror-Task Force.«
Wir schüttelten uns die Hand, worauf ich Special Agent Kate Mayfield vom FBI vorstellte und gerade noch rechtzeitig hinzufügte: »Kate ist außerdem Mrs. Corey.«
»Und außerdem bin ich Detective Coreys Vorgesetzte«, warf Kate ein.
»Dann können Sie ihn vielleicht darauf hinweisen, dass er die Leiche nicht berühren darf, wenn kein Gerichtsmediziner zugegen ist«, schlug Dr. Gleason vor. »Oder sie am besten gar nicht anrühren sollte.«
Ich entschuldigte mich, erklärte ihr aber: »Ich habe das bei der New Yorker Polizei zwanzig Jahre lang gemacht.«
»Sie sind hier nicht in New York City.«
Sie hatte uns auf dem falschen Fuß erwischt, aber dann sagte Kate: »Der Tote war ein Freund von uns.«
Dr. Gleason wurde umgänglicher. »Tut mir leid.« Sie wandte sich an Kate. »Was hat das hier mit Terrorismus zu tun?«
»Gar nichts. Harry war ein Kollege bei der Task Force. Er war hier wandern, und wir sind hergekommen, um die Leiche zu identifizieren.«
»Aha. Und? Haben Sie ihn eindeutig identifiziert?«
»Jawohl«, erwiderte Kate. »Was haben Sie bislang festgestellt?«
»Nun, soweit ich das anhand der äußeren Verletzungen erkennen konnte, drang eine Kugel durch die Wirbelsäule und durchschlug das Herz, worauf er fast augenblicklich starb. Vermutlich hat er nichts gespürt, und wenn doch, dann allenfalls ein, zwei
Sekunden lang. Im Grunde genommen war er tot, bevor er am Boden aufschlug.«
Ich nickte und stellte fest: »In all den Jahren, die ich bei der Polizei war, ist mir noch nie ein Schießunfall untergekommen, bei dem die Kugel Rückenmark und Herz durchschlug.«
Dr. Gleason ging ein paar Sekunden lang nicht darauf ein, dann sagte sie: »Als Ärztin und Leichenbeschauerin habe ich schon etwa hundert Jagdunfälle erlebt, aber so einen habe ich auch noch nicht gesehen. Doch es kann passieren.« Und sie fragte: »Glauben Sie, dass es sich um einen Mord handelt?«
»Wir schließen es nicht aus«, erwiderte ich.
Sie nickte. »Das habe ich auch gehört.«
Manche Gerichtsmediziner spielen gern Detektiv, wie im Fernsehen, aber die meisten halten sich strikt an die Fakten. Da ich Patty Gleason nicht kannte, fragte ich: »Haben Sie irgendetwas gefunden, das auf einen Mord hindeutet?«
»Ich will Ihnen zeigen, was ich gefunden habe, und Sie dürfen es mitnehmen.«
Sie ging zu einem Wandschrank, streifte sich ein Paar Handschuhe über, gab mir einen frischen und sagte: »Wie ich sehe, haben Sie das Vicks schon gefunden.«
Sie deutete auf die beiden Wagen. »Ich habe alles entfernt und erfasst, sodass es in die Beweismitteltüten des FBI verpackt werden kann. Möchten Sie sein persönliches Eigentum überprüfen und den Empfang bestätigen?«
»Andere Agenten sind auf dem Weg hierher«, erwiderte Kate. »Sie müssen alles auf einem sogenannten grünen Bogen auflisten.«
»Schauen wir uns die Leiche an«, sagte ich zu Dr. Gleason.
Sie trat neben den Wagen und zog den Gazebausch an Harrys Brust ab, riss ein paar Haare mit aus und entblößte ein großes, klaffendes Loch. »Wie Sie sehen, ist das die Austritts wunde. Ich habe sie mit einer Leuchtlupe mit siebenfacher Vergrößerung untersucht und Knochensplitter, weiches Gewebe und Blut gefunden, alles in geringer Menge und der Bahn eines Hochgeschwindigkeitsgeschosses großen oder mittleren Kalibers entsprechend, das Wirbel, Herz und Brustbein durchschlägt.«
Sie machte eine Weile weiter und beschrieb in nüchternen Worten das Ende eines Menschenlebens. »Wie Sie wissen«, schloss sie, »nehme ich die Autopsie nicht vor, aber ich bezweifle, dass man bei einer
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