John Puller 01 - Zero Day
Nikotin hatte seine Finger gelb verfärbt. Er musste eben erst eine Kippe im überquellenden Aschenbecher ausgedrückt haben, denn es roch noch stark nach Qualm. Puller wedelte mit der Hand, um den Rauch aus seinem Gesichtskreis zu vertreiben, während Cole mehrere tiefe Atemzüge nahm. Vielleicht war sie eine dankbare Passivraucherin, überlegte Puller, und wollte möglichst viel blauen Dunst einatmen.
»Vielen Dank, dass Sie Zeit für uns haben, Bill«, sagte Cole.
»Kein Problem, Sam. Hätte ich gewusst, dass Sie heute Vormittag mit mir sprechen wollen, hätten wir uns schon in der Krippe unterhalten können.« Strauss deutete auf zwei Stühle.
»Wir werden versuchen, Sie nicht zu lange mit Beschlag zu belegen«, antwortete Cole.
»Schon gut. Mir ist zu Ohren gekommen, Sie haben gestern mit Jean zu Abend gegessen.«
»Ja, stimmt. Sie hatte uns eingeladen, weil Roger auswärts unterwegs ist.«
»Wo ist Roger eigentlich hin?«, fragte Puller.
»Er ist geschäftlich in New York«, gab Strauss ihm Auskunft.
»Geschäftlich in New York?«, wiederholte Puller. »Ich dachte, die Firma Trent ist in Familienbesitz?«
Strauss heftete den Blick auf Puller. »Das ist richtig, sie ist eine Privatfirma. Allerdings erzielt sie in der Energiewirtschaft hohe Gewinne. Das macht sie für manche Investoren interessant.«
»Trent spielt wohl mit dem Gedanken, an die Börse zu gehen?«, fragte Puller.
Strauss’ Lächeln fiel ein wenig verkniffen aus. »Dazu kann ich wirklich nichts sagen. Und ich verstehe nicht, inwiefern es für Ihre Ermittlungen irgendeine Bedeutung haben sollte.« Er setzte sich wieder hinter den Schreibtisch und schaute Cole an. »Also, was kann ich für Sie tun?«
»Wie ich schon angekündigt habe, müssen wir Molly Bitners Kollegen vernehmen. Aber vorher hätten wir gern von Ihnen eine Beschreibung von Ms. Bitners Tätigkeit, und wir wüssten gern, seit wann sie bei der Firma Trent gearbeitet hat.«
Strauss lehnte sich zurück und faltete die Hände im Nacken. Sein Blick streifte die Packung Marlboro, die auf dem Schreibtisch lag, und den übervollen Aschenbecher, der daneben stand; doch offenbar entschied er sich dagegen, jetzt schon den nächsten Glimmstängel anzuzünden. Puller beobachtete den Mann und versuchte dessen Körpersprache zu deuten, während er und Cole auf die Antwort warteten.
»Molly Bitner war seit vier Jahren hier tätig. Davor ist sie in einem unserer anderen Büros beschäftigt gewesen. Drüben im Norden Drakes.«
»Weshalb hat der Wechsel stattgefunden?«, fragte Puller.
Strauss’ Blick kehrte zu ihm zurück. »Wir tauschen öfter Mitarbeiter zwischen den Büros aus. Den Ausschlag dafür geben die Bedürfnisse des Unternehmens oder der Wunsch des Mitarbeiters. Das Büro im Norden befasst sich mehr mit dem dort betriebenen Tagebau. Hier im Büro wickeln wir die zentralen Verwaltungsaufgaben ab. Wir sind gewissermaßen Durchgangsstelle für viele Arbeitsbereiche. Aus welchem Grund Molly zu uns gewechselt ist, kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich diesen Grund nicht kenne. Vielleicht kann einer ihrer Kollegen die Frage beantworten.«
»Wir werden ihnen diese Frage stellen«, sagte Puller.
»Und welche Tätigkeit hat sie ausgeübt?«, fragte Cole.
»Ablage, Telefondienst, Erledigung von Anliegen der Tagebaubelegschaft. Alles ganz normale Büroarbeiten. Sie durfte keine Entscheidungen ohne Erlaubnis der Firmenleitung fällen. In der Berufsfachkunde hätte man sie wohl als Sekretärin oder Sachbearbeiterin bezeichnet.«
»War sie eine gute Mitarbeiterin? Oder gab es mit ihr Schwierigkeiten?«
»Soviel ich weiß, hatten wir mit ihr nie irgendwelchen Ärger.«
»Ist Ihnen im Verlauf der vergangenen Wochen irgendetwas Ungewöhnliches an ihr aufgefallen?«
»Nein. Aber vielleicht fragen Sie den Falschen. Natürlich kannte ich Molly, wie ich ja erwähnt habe, aber ich hatte kaum persönlichen Umgang mit ihr.«
»Hatte sie Ihres Wissens Geldsorgen?«
»Es gab keine Gehaltspfändung, wenn Sie das meinen.«
Nach einigen weiteren Fragen und Antworten führte Strauss sie zum Arbeitsplatz der Bürovorsteherin. »Wie geht es Ihrem Sohn?«, fragte Puller, ehe Strauss gehen konnte.
Strauss wandte sich ihm zu. »Großartig. Warum?«
»Er fiel mir gerade ein.«
»Sie wissen, dass Sie kein Recht hatten, ihn nach seiner militärischen Laufbahn auszuquetschen. Und offen gestanden empfinde ich Ihre Fragen als beleidigend.«
»Ich bedaure, dass Sie es so sehen. Sind Sie beim Militär
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