John Puller 01 - Zero Day
Bitners Arbeitsplatz irgendwelche Hinweise erhalten. Und wir sollten keineswegs das Meth-Labor außer Acht lassen. Falls eine Verbindung zur Drogenkriminalität besteht, sollten wir es besser früher als später herausfinden.«
»In Richtung Drogenhandel zu ermitteln wäre aus meiner Sicht sinnvoller, als nach der Kohleindustrie zu schielen. Drogen, Waffen und Gewalt gehen immer Hand in Hand.«
»Stimmt, aber diese Tatsache erklärt nicht die Bodenproben. Oder die Beteiligung der Familie Reynolds. Oder warum man Wellman aufgeknüpft hat.«
»Allmählich schwirrt mir der Kopf. Egal, konzentrieren wir uns auf das Nächstliegende. Wie treten wir in Bitners Büro auf? Welchen Ansatz verfolgen wir?«
»Wir stellen allgemeine Fragen und hoffen auf allgemeine Antworten. Außerden halten wir Augen und Ohren offen. Alles, was sich uns enthüllt oder uns enthüllt wird, kann uns dienlich sein.«
»Falls Sie recht haben und die Firma Trent diese Leute ermordet hat, um irgendein Geheimnis zu hüten … ich bezweifle, dass Bitners Kollegen allzu auskunftsfreudig sein werden. Wahrscheinlich leiden sie vor lauter Furcht an Darmschlackern.«
»Dass es leicht wird, habe ich nie behauptet.«
46
Das Außenbüro der Firma Trent erwies sich als eingeschossiger, aus Betonblöcken errichteter und in Hellgelb gestrichener Bau, zu dem man auf einer gewundenen Kieszufahrt gelangte. Auf dem Parkplatz standen ein Dutzend Personenwagen und Laster. Eins der Autos war ein Mercedes S 550, der gleich neben dem Eingang parkte.
»Gehört der Wagen Bill Strauss?«, fragte Puller, als sie den Mercedes auf dem Weg zum Gebäude passierten.
»Wie haben Sie das erraten?«
»Das Auto stand vor der Krippe . Der einzige andere Mann im Ort, der sich auch so einen Wagen leisten könnte, ist Roger Trent, aber er hält sich derzeit nicht in Drake auf. Strauss muss uns überholt haben, wahrscheinlich, als wir am Straßenrand standen. Oder er kennt eine Abkürzung.« Puller betrachtete den schon reichlich schäbigen Betonbau. »Für den Geschäftsführer eines Kohleunternehmens hätte ich eine schmuckere Niederlassung erwartet.«
»Die Firma Trent folgt der Philosophie, Geld nach Hause zu bringen und nicht in Büroraum mitten im Tagebaugelände zu stecken. Selbst Rogers Büro im Hauptfirmensitz ist ziemlich spartanisch ausgestattet.«
»In der Nähe wird also Tagebau betrieben?«
»Da ist eine Talverfüllung. So was, wie ich Ihnen letzte Nacht gezeigt habe. Und einen Kilometer weiter nördlich wird zurzeit Kohle abgebaut.«
»Man sprengt hier in der Umgebung?«
»Überall im gesamten Umland wird gesprengt. Deshalb ist die County-Bevölkerung so stark geschrumpft. Wer möchte schon in einer Gegend wohnen, die immer mehr Ähnlichkeit mit einem Kriegsgebiet bekommt?« Cole sah Puller hastig von der Seite an. »Nicht, dass ich mitreden könnte, was Ihre Kriegserfahrung betrifft«, fügte sie schnell hinzu.
»Glauben Sie mir, auch Soldaten würden sich lieber nicht in einem Kriegsgebiet aufhalten.«
»Haben Sie eine bestimmte Vorstellung, mit wem Sie sprechen möchten?«, fragte Cole.
»Fangen wir mit dem Chef an.«
Sie betraten das Gebäude, erkundigten sich an der Rezeption nach Strauss und wurden zu seinem Büro geführt. Dessen Wände hatten eine »Täfelung« aus krude bemaltem Sperrholz. Der Schreibtisch und die Stühle waren billigste Massenware. In einer Ecke stand ein Aktenschrank aus Stahlblech. Ein verschlissenes Sofa und ein abgenutzter Kaffeetisch zierten eine andere Ecke. Das Büro hatte eine zweite Tür, von der Puller vermutete, dass sich dahinter eine Privattoilette befand. Vermutlich hatte Strauss die Grenze seiner schleimigen Kumpelhaftigkeit so gezogen, dass er mit den Angestellten wenigstens nicht gemeinsam pinkeln musste.
Auf dem Schreibtisch stand ein nagelneuer Computer mit einem 23-Zoll-Flachbildschirm. Diese hochmodernen technischen Geräte waren das einzige Inventar, das nicht aussah, als stamme es vom Sperrmüll. Puller dachte an die Villa, in der er gestern zu Besuch gewesen war, und betrachtete Coles Äußerung jetzt in ganz neuem Licht. Hier brachte man das Geld tatsächlich nach Hause. Wenigstens galt das für die hohen Tiere.
Strauss erhob sich von seinem Platz hinter dem Schreibtisch und begrüßte sie. Er hatte die Anzugjacke ausgezogen, sodass sich seine Wampe unter dem gestärkten weißen Hemd mit den Umschlagmanschetten deutlich abzeichnete. Die Jacke hing an einem Haken an der Innenseite der Tür.
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