John Sinclair - 0977 - Liliths grausame Falle (2 of 2)
gewartet. Als er sich meldete, klang seine Stimme leicht gepreßt.
»Alles klar?« fragte ich.
»Endlich rufst du an. Ich sitze hier wie auf heißen Kohlen.«
»Das brauchst du nicht. Es ist noch nichts passiert.«
»Trotzdem, John. Was ist denn mit Jane?«
Er bekam von mir einen kurzen Bericht. Ich hatte eine Bestätigung dafür haben wollen, daß ich mich letztendlich richtig verhalten hatte. Suko stimmte mir auch zu. Er war aber auch der Ansicht, daß es ins Auge gehen konnte.
»Das denke ich auch. Es ist ein Risiko gewesen. Wer immer sich in dieser Disco aufhält, Suko, bis auf eine Person stehen uns alle anderen feindlich gegenüber.«
»Richtig. Welche Folgerungen ziehst du daraus?«
»Daß du dich in ein Taxi schwingst und herkommst.«
»Darauf habe ich nur gewartet.« Seine Stimme klang erleichtert. »Dann lassen wir uns nicht mehr abweisen.«
»Das versteht sich.«
»Gut, bis gleich dann. Sag mir nur noch, wo ich dich finden kann.«
Ich erklärte ihm meinen Standort und versprach auch, genau dort auf ihn zu warten. Danach umfing mich wieder die Stille. Sie war normal. Ich aber empfand sie als belastend, was natürlich auch mit der Warterei zusammenhing. Wie erging es Jane? In welch eine Klammer war sie geraten. Die dunkelhäutige Person mit den hellen Haaren, die uns empfangen hatte, mußte ich auch mit in die Rechnung einbeziehen. Für mich war sie gefährlich auf der einen und absurd auf der anderen Seite. Wie sie Jane unter ihre Fittiche genommen hatte! Als wäre sie schon jetzt ihr Eigentum.
Frauenstimmen rissen mich aus meinen Gedanken. Ich schielte aus dem rechten Seitenfenster und sah drei weibliche Wesen, die sich untergehakt hatten. Sie gingen direkt auf die Hexen-Disco zu. Da sie in das Dunkel außerhalb des Laternenscheins eintauchten, glichen sie Schatten, die von der Umgebung verschluckt wurden. Auch sie würden in der Disco feiern.
Ich hätte ja über diesen Namen WITCHCRAFT gelacht, doch Vergnügungsstätten dieser Art trugen oft die verrücktesten Namen. Da machten auch normale Discos keine Ausnahme. Ein Bild jedoch hing unsichtbar und trotzdem drohend über mir. Es zeigte Lilith! Wo sie mitmischte, gab es Tod, Grauen und Entsetzen …
*
Charlotte schlief- Charlotte träumte!
Ihr Bewußtsein war in einen Zug gestiegen, der sie tief in die Vergangenheit gefahren und an einem bestimmten Punkt gehalten hatte, um die Erinnerungen als schauriges Mosaik zutage zu fördern.
Sie war jung, sie war so zerbrechlich. Auf der Schwelle zwischen Kind und Erwachsensein stehen.
Ein Teenager, eine Jugendliche von vierzehn Jahren. Geplagt von all den Problemen einer sich in der Pubertät befindlichen Person. Zusätzlich von dem Wissen belastet, sich keinem Menschen anvertrauen zu können. Da gab es einfach niemanden, zu dem sie Vertrauen hätte haben können.
Sie war eine Gefangene. Nicht nur ihrer eigenen Gefühle, sondern auch eine Eingeschlossene in ihrem großen Zimmer, das voller Puppen stand, kleinen Engeln. Leider leblos. Im Gegensatz zu ihr, denn sie war schon immer das Mädchen mit dem Engelsgesicht gewesen.
Die Puppen waren ihre Freunde, die sie beschützen sollten, es aber nicht konnten. Niemand konnte dies. Es war alles so schrecklich. Die Puppen saßen da und schauten zu. Manchmal aber kam es Charlotte so vor, als würden sie weinen.
Immer dann, wenn diese fremden Männer zu ihr kamen, die so harmlos taten und lächelten. Ein falsches und grausames Lächeln, angebliche Freunde des Vaters, die keine Freunde waren, sondern zahlende Kunden.
Niemand half ihr.
Es war auch nicht ihr richtiger Vater. Die Mutter hatte diese Bestie geheiratet und nicht gewußt, welch ein Teufel sich hinter dieser Maske versteckte.
Charlotte saß auf der Couch. Die Hände drückten ein dickes Kissen auf ihren Schoß. Das Gesicht war zur Tür gerichtet. Zitternd, ängstlich, denn ihr Stiefvater hatte ihr bereits erklärt, daß bald einer seiner Freunde kommen würde.
Dann würde es wieder beginnen. Die Höllenqualen, all das Grauen und auch die Leere, die sie schließlich ergreifen würde, wenn das Unabänderliche geschah.
Im Traum kehrten die prägnantesten Erlebnisse immer wieder zurück. Das war grauenhaft, nicht zu stoppen, denn das Unterbewußtsein spielte bei ihr nicht mit. Es hatte sich selbständig gemacht, es war autonom und ließ sich nichts befehlen.
Im Traum erlebte Charlotte die Vorgänge wie durch einen Weichzeichner verdeckt. Die Konturen ihrer Umgebung waren nie so scharf
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