John Sinclair - 0977 - Liliths grausame Falle (2 of 2)
andere Seite und blieb auf der Bettkante sitzen. Lange hatte sie nicht geschlafen, kaum eine halbe Stunde. Der Traum hatte sie wachgerüttelt. Ihr Herz schlug schnell, beinahe unregelmäßig.
Charlotte preßte die Hände gegen ihr Gesicht. Dabei atmete sie sehr tief aus. Sie mußte sich sammeln, erst einmal abwarten, bevor sie sich wieder hinlegte und die weiteren Träume durchleiden würde. Das stand für sie fest, daran gab es nichts mehr zu rütteln. Charlotte wußte selbst, wie sie die Nächte verbrachte.
Sie stand auf.
Durst peinigte sie. Die Kehle war trocken. Sie saß zu, und die Frau ging dorthin, wo die Getränke standen. Einige hatte sie in dem kleinen Kühlschrank untergebracht, andere Flaschen wiederum standen auf dem Kühlschrank. Mineralwasser mit und ohne Kohlensäure. Charlotte öffnete die halbvolle Flasche und trank sie beinahe aus.
Obwohl das Wasser lauwarm in ihren Magen rann, erfrischte es sie. Nicht mehr durstig, aber noch immer in Gedanken bei ihren Träumen, stellte sie die Flasche wieder an ihren Platz und ging auf das Bett zu.
Nein, sie legte sich noch nicht hin. Im Schein der Lampe blieb sie stehen und betrachtete auf dem Boden ihren eigenen Schatten.
Charlotte atmete noch immer schneller. Nichts war normal, obwohl der Traum in den Hintergrund gedrängt war. Mit dem normalen Bewußtsein dachte sie wieder an Dinge, die nicht in der Vergangenheit lagen, sondern in der Gegenwart.
Man war ihr auf der Spur.
Jemand jagte sie.
Jemand wollte ihr eine Falle stellen, und dieser Jemand hatte bereits ein Netz ausgeworfen, das über ihrem Kopf schwebte, sich aber noch nicht gesenkt hatte, weil es zurückgehalten wurde.
Von wem?
Von Lilith?
Das konnte sein. Ja, es mußte sogar so sein, denn Charlotte vertraute einzig und allein Lilith, der großen Hexe, derjenigen, die sie in das Reich des Glücks führen würde.
Aber das Glück war gestört. Jemand hatte ihre Spur aufgenommen. Man war auf sie gekommen, wie auch immer. Charlotte dachte an ihre Wohnung, in der sie die Kunden empfangen hatte.
Das war alles klar umrissen gewesen. Es war der Job. Sie hatte nur mit wenigen Menschen Kontakt.
Zumeist mit der einen oder anderen Kollegin, und natürlich war sie Stammgast in der Disco gewesen. Dort war es dann um sie geschehen.
Lilith!
Sie war die mächtige. Sie war die erste Hure des Himmels gewesen, sie war dann hinabgestürzt in die Verdammnis, die nicht das Ende bedeutete, denn sie und andere hatten sich aufgerafft, um erneut als Bedrohung über die Welt zu kommen.
Wenn ihr jemand auf der Spur war, dann mußte er einfach an Lilith vorbei. Würde ihm das gelingen? Konnte ein Mensch so etwas überhaupt schaffen? Gestern hätte sie noch darüber gelacht. Heute war sie unsicher geworden, und sie hatte sich schon entschlossen, die Konsequenzen daraus zu ziehen.
Für eine Weile würde sie hier auf dem Lande bleiben, in ihrem Versteck. Keinesfalls wollte sie in das Apartment zurückkehren, denn das wäre für sie zu gefährlich gewesen.
Charlotte wollte und mußte auch alles an sich herankommen lassen. Von allein konnte sie nichts ändern.
Sie ließ sich wieder zurückfallen. Das weiche Bett nahm sie auf. Sie wollte schlafen, und die Augen fielen ihr bald zu.
Die Vergangenheit war wie eine große Woge, die immer und immer wieder heranspülte. Sie ließ sich einfach nicht zurückdrücken, und man konnte ihr nichts befehlen.
Auch jetzt nicht.
Die Träume waren wieder da.
Und damit auch die schrecklichen Bilder …
*
»Heute abend werden zwei Freunde zu dir kommen!« hatte ihr der Stiefvater versprochen.
Charlottes Erschrecken war groß. Eine unsichtbare Messerklinge bohrte sich in ihre Brust, aber sie ließ sich dabei nichts anmerken, sondern schaute ihren Vater wie immer mit großen Augen an. Dabei versuchte sie, ihre Gedanken nicht nach außen zu tragen.
Er sollte nichts merken.
Dafür fragte er noch einmal nach. »Hast du gehört?«
»Ja.«
»Dann ist es gut.«
Er wollte gehen. Sie ließ es auch zu, und der mächtige Krake schwebte wieder zurück zur Tür. Bevor er aber das Zimmer verlassen konnte, preßte Charlotte eine Frage durch ihren beinahe geschlossenen Mund. Es war neu für sie, so etwas tat sie ansonsten selten, diesmal aber war sie über den eigenen Schatten gesprungen.
»Wann kommen denn deine Freunde?«
Der »Krake« blieb stehen. »Gegen Abend.«
»Ja, ist gut.«
Grußlos verließ ihr Stiefvater das Zimmer. Die Tür zog er hart zu. Zurück ließ er eine
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