John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
südöstlich. »Bisher fuhren sie nahe der Küste, sodass die Hawkeye sie nicht aufgeschnappt hat.«
»Wie schnell?«
»Zwanzig, vielleicht fünfundzwanzig Knoten.«
»Steuern sie auf uns zu?«
»Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, aber es sieht so aus.« Wieder piepste der Laptop. »Noch mehr schlechte Nachrichten.« Kang deutete auf den Schirm. Eine weitere weiße Markierung bewegte sich auf das Schnellboot zu, diesmal aus dem Südwesten. »Dieses Boot lag etwa vierzig Kilometer vor der Küste, deshalb habe ich es für einen Fischkutter gehalten. Jetzt steuert es auf uns zu.« Erneut erklang ein Piepsen. »Da ist noch eines, es kommt aus Westen auf uns zu.«
»Versuchen sie, einen Kordon zu bilden?«
»Scheint so.«
»Können wir sie durch unsere Geschwindigkeit schlagen?«
»Das sollte kein Problem sein. Zumindest in den nächsten Minuten.«
Beck sah nochmals auf die Uhr: 23.30. Er würde gewiss nicht dreißig Minuten hier warten. Der Absender der Botschaft bekam zehn Minuten, und nicht mehr. Er hatte sich schon mehrmals in heiklen Situationen befunden. Während des ersten Golfkriegs war sein Seal-Team in Kuwait City gelandet, um eine Panzerbrigade der republikanischen Garde
zu sabotieren. Auf den Philippinen hatte er an einem hässlichen Feldzug gegen die muslimischen Kämpfer der Terrorgruppe Dschamaa islamija teilgenommen.
Aber nie zuvor hatte er sich bei einer Mission so unwohl gefühlt. Dieser Kampf fühlte sich nicht wie ein Kampf an, eher als hingen sie wie ein Köder direkt vor der Nase einer hungrigen Bestie. Er war sicher, dass dies ein Hinterhalt war. Allerdings konnten all diese Aktivitäten auch purer Zufall sein. Vielleicht liebten es die Nordkoreaner, mitten in der Nacht eine Vergnügungsfahrt zu unternehmen.
Ja, das war es.
Treffpunkt D lag in einer kleinen Bucht, die von einem Fluss gebildet wurde, der von Nordosten in das Gelbe Meer mündete. Ein guter Ort für eine Abholung, da er auf Satellitenfotos leicht zu finden war. Und bei Flut konnte das Phantom-Schnellboot fast bis an die Küste heranfahren.
»Ted«, meldete sich Kang mit drängender Stimme, »die sind eben aufgetaucht.« Er deutete auf zwei gelbe Markierungen auf dem Radarschirm. »Jets. In eintausend Meter Höhe. Direkt unter der Wolkendecke. Geschwindigkeit etwa 650 km/h.«
»Entfernung?«
»Sechzig Kilometer. Etwa sechs bis sieben Minuten.«
Choe stieß einen Schwall koreanischer Worte aus und deutete auf die Küste. Ein Mann mit einer bauschigen Nylonjacke war schwankend, beinahe hinkend, aus dem Wald getreten. Er hob ein Fernglas an die Augen und suchte langsam das Wasser ab. Als er das Phantom-Schnellboot entdeckte, winkte er langsam wie ein Metronom. Auf dem Rücken trug er einen Rucksack.
»Hallo, Soldat«, sagte Kang.
Beck spähte durch sein Fernglas zu dem Mann hinüber und versuchte festzustellen, ob er tatsächlich Sung Kwan, den Absender der Botschaft, vor sich sah. Die CIA hatte heimlich Zoomaufnahmen von Sung während der Treffen mit ihm gemacht. Vor zwölf Stunden hatte sich Beck in einem Sicherheitsraum der amerikanischen Botschaft in Seoul diese Aufnahmen angesehen, um sich Sungs Gesicht einzuprägen.
Sung besaß jedoch nur wenige charakteristische Merkmale. Er war klein und gedrungen, wie viele Koreaner, und trug jene übergroße Brille, die bei den koreanischen und chinesischen Männern so beliebt war. Sein auffälligstes Merkmal war ein Muttermal auf der linken Wange. Genau dieses Muttermal suchte Beck nun durch das Fernglas. Er glaubte, einen Fleck auf der Wange des Mannes zu entdecken, aber er war nicht sicher. Schade, dass Sung nicht zwei Meter zehn groß war oder nur einen Arm hatte.
»Bring uns an die Küste«, sagte Beck zu Choe. »Aber langsam. Und sei bereit zur Flucht.«
»Langsam«, wiederholte Choe, während er den Fahrhebel nach vorne drückte. Sie waren nur noch zweihundert Meter von der Küste entfernt, dann einhundert Meter, und dann konnte Beck das Muttermal durch sein Fernglas deutlich erkennen.
»Er ist es«, bestätigte Beck in der Erwartung, dass die Falle nun zuschnappen würde und die nordkoreanischen Soldaten unter den Bäumen hervorstürmen würden. Aber in den Wäldern blieb es still. Bei sechzig Metern Entfernung von der Küste piepste der Tiefenmesser.
»Wenn wir noch näher fahren, laufen wir auf«, sagte Kang.
Während Choe bereits das Schnellboot wendete, trat Beck
aus der Fahrerkabine und bedeutete Sung, zum Boot zu schwimmen.
Der Nordkoreaner hinkte
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