John Wells Bd. 2 - Netzwerk des Todes
vorüberzog und zwei Raketen aus den Halterungen unter den Flügeln abwarf. Die Raketen in der Größe eines Surfbretts schlugen etwa dreihundert Meter hinter dem Boot auf das Wasser auf und explodierten mit solcher Macht, dass sie zwei Meter hohe Wellen über die Meeresoberfläche ausschickten. Das Phantom-Schnellboot sprang hoch und krachte wieder auf die Wasserfläche, und dies wieder und wieder, bis die Wellen allmählich verebbten. Beck stützte
sich an der Kabinenwand ab, wodurch es ihm diesmal gelang, auf den Beinen zu bleiben.
Der Lärm des Jets verhallte, während das Jagdflugzeug abdrehte, um zu einem neuen Angriff anzusetzen. In diesem Augenblick tauchte aus der Dunkelheit der nordkoreanische Kutter auf, ein grauschwarzes Boot, hinter dessen Kabine schwere Maschinengewehre montiert waren. Der Zwillingsscheinwerfer des Kutters schwenkte auf der Suche nach dem Schnellboot nach links und rechts. Als er es fand, füllte sich die Fahrerkabine des Phantom-Schnellbootes für einen Moment mit unerbittlichem, allwissendem weißem Licht. Als würde Gott selbst sie beobachten.
In der plötzlichen Helligkeit sah Beck, dass Sung auf der Bank zitterte. Die Maschinengewehre des Kutters eröffneten das Feuer. Ihre Kugeln schlugen dumpf in den Rumpf des Schnellbootes und die Glasscheiben der Kabine ein. Die Fenster bebten, ehe sie mit langen weißen Narben, die sich durch das klare Plastik fraßen, brachen. So viel zur Taktik, direkt auf den Feind zuzufahren, dachte Beck. Es war Zeit für Plan B.
»Choe! Scharf nach Steuerbord! Kurs zwei-siebzig!«
Beck schleuderte Sung zu Boden und warf sich über ihn in der Hoffnung, dass die Zwillingsmotoren des Phantom-Schnellbootes sie aus der Gefahrenzone brachten. Choe drehte nach Westen ab und nahm dabei gerade so viel Fahrt zurück, dass die Nase des Bootes nicht das Wasser berührte. Beck schloss die Augen und hörte, wie das Fiberglas der Fenster endgültig barst. Dann fühlte er, wie sich Splitter in seinen Nacken gruben.
Während das Schnellboot davonschoss, verklang auch das Gewehrfeuer. Beck erhob sich und schüttelte die Plastiksplitter
von der Kleidung. Die Fenster an der Rückseite der Kabine waren teilweise durchschossen. Selbst angeblich kugelsicheres Glas hielt einer Maschinengewehrsalve aus dieser Nähe nicht stand. Das Dröhnen der Motoren erfüllte die Kabine.
Bumm! Funken stoben aus den Motoren, die Kabine erbebte, und das Boot hob die Nase aus dem Wasser. Dann verlor das Schnellboot an Geschwindigkeit und zog nach rechts. Choe nahm den Fahrhebel zurück. »Maschine! Maschine!«, brüllte er auf Englisch, bevor er ins Koreanische wechselte.
»Er sagt, dass wir einen der Mercury-Motoren verloren haben und dass der andere wenig Öl hat«, erklärte Kang Beck einige Sekunden später. »Wir schaffen nicht mehr als dreiunddreißig Knoten, und fünfundzwanzig wären besser.«
Unter anderen Umständen wären dreiunddreißig oder fünfundzwanzig Knoten mehr als zufriedenstellend gewesen, aber nicht in dieser Nacht, dachte Beck.
»Wie können sie uns so leicht finden?«, fragte Kang mit einem Blick auf Sung.
»Das habe ich mich auch schon gefragt.« Beck griff nach Sungs Rucksack. Sung versuchte, ihn daran zu hindern, aber Beck versetzte ihm mit der flachen Hand einen harten knappen Schlag, durch den der Kopf des Koreaners zur Seite flog. Nach einem zusätzlichen Hieb in den Bauch ging er zu Boden. Beck leerte den Inhalt des Rucksacks auf den Boden. Ein Paar abgetragene Nylonhosen, ein dünnes Baumwollhemd und billige schwarze Schuhe, alles durchtränkt.
Und in einem wasserdichten durchsichtigen Plastikbeutel lag eine Stahlbox von dreißig mal zwanzig mal zehn Zentimetern, an deren Oberseite drei Lichter rot und grün
blinkten. Ein Transponder, der die Position des Phantom-Schnellbootes an jedes nordkoreanische Schiff und jeden Jet in einem Umkreis von dreißig Kilometern übertrug. Der Mann, zu dessen Rettung sie gekommen waren, hatte sie verraten.
4
Tysons Corner, Virginia
Nachdem sich die matten Stahltüren des Aufzugs knirschend geöffnet hatten, trat Exley auf einen fadenscheinigen braunen Teppich hinaus, der vermutlich seit Saddam Husseins Geburt nicht mehr gereinigt worden war. Am Ende des Ganges kennzeichnete eine diskrete Messingtafel mit der Aufschrift »Okay Enterprises« eine schwarze Tür. Sobald Exley mit dem Daumen einen Sicherheitsscanner berührte, glitt der Türriegel mit dumpfem Grollen auf.
Kaum hatte sich die Tür hinter ihr
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